Wirtschaftsausschuss: Ministerium soll Voraussetzungen für verkaufsoffene Sonntage prüfen
Stuttgart. Der stationäre Einzelhandel ist besonders stark von der Corona-Pandemie betroffen. Auch nach der Wiederöffnung laufe das Geschäft nur schleppend an. Dies erklärte Dr. Erik Schweickert (FDP/DVP), der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau, in der Sitzung am Mittwoch, 8. Juli 2020. Auf Basis mehrerer Anträge der FDP/DVP-Fraktion sowie der Fraktion der AfD beriet das Gremium daher über die wirtschaftlichen Konsequenzen für die Einzelhändler im Land. Nach kontroverser Diskussion stimmte der Ausschuss am Ende einem Antrag der Fraktionen Grüne und CDU einmütig bei Enthaltung der SPD-Fraktion zu. Der Antrag fordert die Landesregierung dazu auf, zu prüfen, inwieweit die Voraussetzungen für verkaufsoffene Sonntage zeitlich begrenzt angepasst werden können. Wirtschaftsministerin Dr. Hoffmeister-Kraut habe sich bereiterklärt, eine solche Prüfung innerhalb der nächsten beiden Wochen durchzuführen.
Hintergrund der Diskussion sei der derzeitige Wegfall von Großveranstaltungen aufgrund der Corona-Einschränkungen. Ohne solche Veranstaltungen wie Feste oder Messen seien auch keine verkaufsoffenen Sonntage möglich, erläuterte Dr. Schweickert. Diese bedürfen nach geltendem Recht nämlich zwingend einem Anlassbezug oder einem besonderen öffentlichen Interesse. Eine Verkaufsöffnung rein um einen Einkauf zu ermöglichen sei nicht möglich. Dieser Sachverhalt wurde auf Initiative der FDP/DVP Fraktion aufgegriffen und insgesamt wurden dazu drei Anträge gestellt.
Der erste Antrag der FDP/DVP Fraktion, welcher die Regierung zur Vorlage eines Gesetzesentwurfs aufforderte, der bis zu je drei verkaufsoffene Sonntage ohne Anlassbezug in den Jahren 2020 und 2021 ermöglicht, wurde durch Grüne, CDU und SPD gegen die Stimmen von FDP/DVP und AfD abgelehnt. Ein noch weitergehender Antrag der AfD-Fraktion forderte die Regierung zur Einbringung eines Gesetzesentwurfs in der nächsten Plenarsitzung auf, welcher den Anlassbezug generell aussetzt. Diesem Antrag stimmte nur die AfD zu, die anderen Fraktionen lehnten ihn ab.
Am Ende verständigte sich der Ausschuss darauf, als gemeinsamen Konsens einen Antrag von Grünen und CDU ohne Gegenstimme bei Enthaltung der SPD-Fraktion anzunehmen. Er verpflichtet die Landesregierung dazu, die Möglichkeit von verkaufsoffenen Sonntagen auch ohne Anlassbezug zu prüfen. Ministerin Hoffmeister-Kraut sicherte hier zu, diesem innerhalb von etwa zwei Wochen nachzukommen. Der Ausschussvorsitzende Dr. Schweickert regte im Anschluss an den Beschluss an, in dieser besonderen Situation im Rahmen des Prüfauftrags sich auch mit den relevanten Interessenverbände wie Gewerkschaften, Kirchen, Stadt- und Gemeinden sowie Verbänden des Handels auszutauschen, um möglichst konsensual eine Möglichkeit für verkaufsoffene Sonntage in dieser besonderen Situation zu ermöglichen und Gerichtsverfahren zu vermeiden. Er kommentiert: „Der Wirtschaftsausschuss hat in seiner Aussprache trotz teils weitergehender Positionen zumindest einmütig festgestellt, dass wenigstens für die durch Corona ausgefallenen verkaufsoffenen Sonntage eine klare Perspektive eröffnet werden muss, wie diese nachgeholt werden können.“
Bereits zuvor beschäftigte sich der Wirtschaftsausschuss auf Antrag der Fraktion der SPD mit den Arbeitsbedingungen und den Hygienestandards für die Beschäftigten in der fleischverarbeitenden Wirtschaft. Anlass war die hohe Zahl der an Covid-19 erkrankten Beschäftigten in einem solchem Betrieb in Birkenfeld. Wie Dr. Schweickert mitteilte, führe das Wirtschaftsministerium diese hohe Zahl Infizierter auch auf das beengte Wohnen und die gemeinsame Nutzung von Sanitärräumen in Sammelunterkünften zurück. So sei es in solchen meist sehr beengten Unterkünften nicht möglich, die nötigen Abstandsregelungen einzuhalten.
Dem Ausschussvorsitzenden zufolge habe das Wirtschaftsministerium als Reaktion auf diese Erkenntnisse Ende Mai dieses Jahres eine Regelung erlassen, die eine Lücke bei den Anforderungen an Unterkünfte für Beschäftigte schließe. So habe die Arbeitsstättenverordnung nicht alle Unterkünfte abgedeckt. Mittlerweile gelte, dass in als Sonderbauten deklarierten Unterkünften maximal acht Bewohner in einem Schlafraum untergebracht sein dürften und für jeden Bewohner mindestens eine Fläche von acht Quadratmetern zur Verfügung stehen müsse. Wie Dr. Schweickert erklärte, habe der Ausschuss daraufhin auch erörtert, inwieweit eine generelle Mindestquadratmeterzahl pro Person in Unterkünften wie z.B. in sogenannten Boarding-Häusern sinnvoll sei. Dem Ministerium zufolge sei eine solche Regelung jedoch nur für Sonderbauten und nicht für normale Wohnungen oder umgenutzte Hotels oder Altenheime möglich. Ebenso gelte sie nur für neue Wohnmöglichkeiten und nicht rückwirkend.
Zudem habe die Pandemie gezeigt, dass es von zentraler Bedeutung sei, dass die Beschäftigten im Krankheitsfall und bei einer angeordneten Quarantäne weiterhin ihr Gehalt beziehen würden. Nach Informationen des Ministeriums habe die Bundesregierung Ende Mai diesbezüglich beschlossen, dass ab dem kommenden Jahr größere Betriebe nur noch eigene Arbeitnehmer für das Schlachten und die Fleischverarbeitung einsetzen dürften und auf Werksverträge verzichtet werden müsse. Somit würde sichergestellt, dass die eingesetzten Arbeiternehmer grundsätzlich unter das deutsche Arbeitsrecht fallen würden, sie also sozialversichert wären und Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall hätten.
Bereits vor der Sitzung des Ausschusses sei darüber hinaus eine Verordnung des Wirtschafts- und des Sozialministeriums zu Hygiene- und Arbeitsbedingungen in Schlachtbetrieben erlassen worden. Diese Verordnung regele beispielsweise, dass in Betrieben mit mehr als 100 Beschäftigten die Mitarbeiter mindestens zweimal pro Woche auf eine Infektion mit dem Corona-Virus getestet werden müssen. Die Verordnung werde kommende Woche in Kraft treten, so die Wirtschaftsministerin.
Zur Unterstützung der Wirtschaft wurden außerdem weitere Finanzhilfen beraten. So hat der Wirtschaftsausschuss nach Angaben des Vorsitzenden Dr. Schweickert einstimmig beschlossen, ein Programm für Sofortbürgschaften für kleine Unternehmen bis 10 Beschäftigte zu ermöglichen. Hier werden Soloselbstständige, Freiberufler und Betriebe ab dem 15. Juli 2020 Anträge an die Bürgschaftsbank stellen könne. Dr. Schweickert erklärte: „Der Ausschuss hat hier wieder einmal schnelle und passgenaue Hilfen für unsere Wirtschaft möglich gemacht und das neue Angebot von Wirtschaftsministerium und Bürgschaftsbank einstimmig unterstützt“.
Darüber hinaus beschloss der Wirtschaftsausschuss nach ausführlicher Diskussion und ohne Gegenstimmen im Rahmen einer Bund-Länder-Bürgschaft im Verhältnis des baden-württembergischen Landesanteils eine Finanzhilfe in Höhe von 41,3 Mio. Euro an ein arbeitsplatzintensives Industrieunternehmen mit einem Standort in Baden-Württemberg.