Zentrale Veranstaltung des Landesfrauenrats im Haus des Landtags
Landtagsvizepräsidentin Vossschulte appelliert an Frauen bei Kommunalwahl 2009 selbstbewusst zu kandidierenStuttgart. Frauen sollten mit Blick auf die Kommunalwahl im Juni 2009 persönliche Ambitionen entwickeln und selbstbewusst für einen Sitz im Gemeinderat bzw. Kreistag kandidieren. Dazu appellierte Landtagsvizepräsidentin Christa Vossschulte (CDU) am Samstag, 11. Oktober 2008, im Haus des Landtags in Stuttgart bei einer zentralen Veranstaltung des Landesfrauenrats anlässlich des Jubiläums 90 Jahre Frauenwahlrecht und der bevorstehenden Kommunal-wahl. In ihrem Grußwort sagte die Landtagsvizepräsidentin wörtlich: >>Die Trommeln zum Auftakt – fast wie bei Indianern auf dem Kriegspfad. Dazu die angriffslustige Devise „Stühle frei für Frauen“. Und das Landtagsgebäude fest in weiblicher Hand. Man könnte meinen, eine Revolution nehme ihren Lauf. Historisch betrachtet, würde es doppelt passen. Erstens, weil die Bilanz von 90 Jahren Frauenwahlrecht durchwachsen erscheint. Und zweitens, weil zu den prägnanten Jahrestagen, die uns 2009 ins Haus stehen, ein unrühmliches Datum gehört: Am 18. Juni 1849 löste württembergisches Militär wenige Schritte von hier – in der heutigen Leuschnerstraße – die aus der Frankfurter Paulskirche nach Stuttgart verlegte Nationalversammlung gewaltsam auf. Das war ein Rückschlag auch für die politische Partizipation von uns Frauen! In der Aufbruchsstimmung des Vormärz hatte sich ja die Frauenbewegung durch Frauenvereine und Frauenzeitungen breit formiert. Für die Abgeordneten der Nationalversammlung war das Frauenwahlrecht zwar kein Thema gewesen. Auf der Zuhörertribüne der Paulskirche gab es aber 200 perma-nent für Frauen reservierte Plätze. Und auf die soll stets aufs Neue ein regelrechter Run stattgefunden haben. Als Landtagsvizepräsidentin kann ich natürlich nicht zu einer Revolution, respektive zum Fortsetzen einer Revolution aufrufen. Ich betone jedoch gerne: Uns eint das Anliegen, die Kommunalwahl 2009 zu einem substanziellen Stück jener Evolution zu machen, die wir seit 90, seit 160 Jahren oder noch länger mühsam vorantreiben. Dezidierter gesprochen: Einflusslose Plätze am Rande – das mag vor 160 Jahren ein Fortschritt gewesen sein. Heute lassen wir uns damit nicht abspeisen. Und uner-quickliche Sperrsitze sind nach meinem Verständnis auch hintere Platzierungen auf den oft langen Kandidatenlisten bei der Kommunalwahl in acht Monaten. Ich freue mich deshalb sehr, dass der Landesfrauenrat ein breites Aktionsbündnis geschmiedet und diese zentrale Impulsveranstaltung organisiert hat. Ein ganz herzliches „Willkommen“ Ihnen allen! Hoffentlich erweist sich die Heimstatt des Landtags von Baden-Württemberg – wie bei den Vorgängerveranstaltungen – als taugliche „Location“. Wir wollen gemeinsam die mentalen Segel für den Kommunalwahlkampf richtig set-zen und nachhaltig Fahrt aufnehmen! Und ich meine: Wir dürfen optimistisch in See stechen – trotz der globalen Finanzmarktkrise, die momentan die Szenerie beherrscht. Speziell die kommunalpolitischen Winde werden für uns Frauen immer günstiger. Denn egal, ob groß, mittel oder klein – keine Kommune ist mehr gut „aufgestellt“ mit einem Gemeinderat, in dem die klassischen Honoratioren dominieren. Die Kenntnis der gewachsenen lokalen Zusammenhänge hilft zweifellos in vielen Situationen. Alteingesessen zu sein verliert jedoch zusehends den Rang als kommunalpolitische Kernkompetenz. Bedarfsgerechte, flexible Betreuungsangebote für Null- bis Zehnjährige; frühkindliche Bildung; Schulentwicklung; Kinder- und Elternfreundlichkeit einerseits, Reaktion auf das Altern unserer Gesellschaft andererseits; nachhaltige Stadtgestaltung; Förderung bürgerschaftlichen Engagements – bei Themen dieser Art und Relevanz sind die Gemeinderäte jetzt in besonderer Weise gefordert. Da braucht es Menschen, die wissen, wie man den Alltag der Familien und der Kinder organisiert; da braucht es Menschen, die genau wissen, wo und wie stark der sprichwörtliche Schuh drückt, weil sie diesen drückenden Schuh selbst anhaben. Und diese Menschen sind überwiegend weiblich. Nicht zufällig umgarnen die Parteien und Wählervereinigungen beim Aufstellen ihrer Listen bevorzugt Frauen, die im örtlichen Leben engagiert sind. Elternbeiratsvorsitzende, Vorsitzende von Schulfördervereinen, Leiterinnen von Nachbarschaftshilfe-Initiativen, Spielstuben oder Mutter-und-Kind-Turngruppen werden geradezu hofiert. Manchen Platzhirschen geht es indes nur um das Aufpolstern ihrer Listen – um die Optik bis zum Wahltag. Klarer gesagt: Den bisweilen massiv Umworbenen fehlt oft die Kaltschnäuzigkeit, für sich vordere und damit aussichtsreichere Listenplätze zu verlangen. Eine Kernbotschaft lautet folglich: Frauen, lasst euch nicht unter Wert verpflichten! Auch in der Kommunalpolitik behauptet sich nur das selbstbewusst agierende Subjekt. Es gilt, persönliche Ambitionen zu entwickeln und nicht dem Irrglauben zu erliegen, dass ein moralischer Anspruch auf Frauenförderung per Stimmzettel existiert. Der Impetus muss sein: Ich engagiere mich, weil ich über das Entscheidende verfüge – nämlich: eine individuelle Kompetenz, die sich aus der authentischen Innenansicht des Alltags am Ort speist! An diesem Punkt sollten wir Frauen freilich nicht einem vordergründigen Geschlechterkampf frönen. Die Kunst ist, bei allem Ehrgeiz souverän zu bleiben und zu konzedieren: Wenn Kompetenz zählt, dann heißt die richtige Formel für die Zusammensetzung des Hauptorgans Gemeinderat: „Mixed Leadership“. Frauen und Männer – die Qualitäten beider sind gefragt für die gedeihliche Zukunft einer Stadt oder Gemeinde. Wer das vertritt, überzeugt und gewinnt das erstrebte Vertrauen. In diesem Sinn selbstbewusst zu kandidieren beinhaltet eine gesteigerte persönliche Verantwortung für den eigenen Wahlerfolg und zugleich für das Reüssieren der Liste. Salopp formuliert: „Frau“ muss also Wahlkampf ma-chen! „Frau“ muss für sich werben, ihre Bekanntheit steigern und praktisch zeigen, wie wichtig ihr zweierlei ist: dass sie gewählt wird und dass ihre Liste viele Stimmen erhält. Das erfordert zunächst beschwerliche Hand- und Fußarbeit. Ein Beispiel: Eine Stadt mit 20.000 Einwohnern hat knapp 10.000 Haushalte. In jeden Briefkasten einen persönlichen Flyer zu stecken, bedeutet, rund zwei Wochen Abend für Abend auf Schusters Rappen unterwegs zu sein. Anstrengungen dieser Dimension sind – gerade für herausgehoben platzierte – Newcomerinnen unumgänglich. Das Ringen um Gemeinderatsmandate findet nicht unter Laborbedingungen statt. Es ist kein akademischer Diskurs – es ist im Kern eine marktwirtschaftliche Konkurrenz. Deswegen dürfen wir die Politik und ihre Mechanismen nicht schlechtreden. Wahlkampf, igittigitt – diese pseudo-elitäre Überheblichkeit ist hochgradig apolitisch und damit zerstörerisch.
Zur repräsentativen Demokratie gehören intensive Wahlkämpfe. Und das Werben um Stimmen besteht zu einem Gutteil aus Selbstmarketing. Verlierertypen rümpfen darüber die Nase; Siegertypen nutzen es intelligent und niveauvoll. Exakt in diesem Sinn wünsche ich uns, dass die Anstöße der kommenden Stunden zu einer reichen Ernte am 7. Juni 2009 beitragen.