Lord, Prof.Dr. Ralf (Gustav) Dahrendorf

Verfolgung
24.03.1933
Dahrendorfs Vater Gustav Dahrendorf ist SPD-Abgeordneter der Hamburgischen Bürgerschaft und des Reichstags sowie Schriftleiter der SPD-Zeitung »Hamburger Echo«. Am 24. März 1933 wird er verhaftet und für einige Tage in »Schutzhaft« genommen. Im Mai 1933 wird Gustav Dahrendorf erneut festgenommen und bleibt im Konzentrationslager Fuhlsbüttel drei Monate in »Schutzhaft«.
23.07.1944
Gustav Dahrendorf unterhält Verbindungen zur bürgerlichen Widerstandsgruppe Kreisauer Kreis. Er wird am 23. Juli 1944 (nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944) in Berlin verhaftet und im Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße sowie im Konzentrationslager Ravensbrück inhaftiert. Am 20. Oktober 1944 wird Gustav Dahrendorf vom Volksgerichtshof wegen der Nichtanzeige eines hochverräterischen Unternehmens zu sieben Jahren Haft und Ehrverlust verurteilt. Ab dem 24. Oktober 1944 befindet er sich im Zuchthaus Brandenburg-Goerden, wo er am 28. April 1945 durch die Rote Armee aus der Haft befreit wird.
Herbst 1944
Ralf Dahrendorf ist Schüler eines Internatsgymnasiums im brandenburgischen Buckow. Er gehört dort mit Mitschülern einer Widerstandsgruppe namens »Freiheitsverband Höherer Schüler Deutschlands« an. Die Gruppe produziert und verteilt NS-kritische Flugblätter. Infolge der Verhaftung seines Vaters am 23. Juli 1944 steht Ralf Dahrendorf selbst unter Briefzensur. Vermutlich auf diese Weise werden die Aktivitäten der Schüler von den NS-Behörden entdeckt. Ralf Dahrendorf wird von der Gestapo verhört und vermutlich Anfang Dezember 1944 abends in der elterlichen Wohnung in Buckow verhaftet. Zusammen mit seinem Schulkameraden Eduard Grosse wird Dahrendorf im Gestapo-Gefängnis in Frankfurt an der Oder inhaftiert. Am 12. Dezember 1944 werden sie in das Arbeitserziehungslager Erweitertes Polizeigefängnis Schwetig überstellt. Dort werden Dahrendorf und Grosse am 31. Januar 1945 - als die Front des Zweiten Weltkriegs immer näher rückt - aus der Haft entlassen.
Biografie
Sohn des SPD-Reichstagsabgeordneten Gustav Dahrendorf
1935
Grundschule in Berlin
1938
Gymnasium in Berlin und Buckow
1947
Studium der Philosophie und der Klassischen Philologie an der Universität Hamburg
1952
Promotion an der Universität Hamburg über das Thema »Der Begriff des Gerechten im Denken von Karl Marx«
1952
Studium der Soziologie an der London School of Economics
1954
Assistent an der Universität des Saarlands in Saarbrücken
1957
Habilitation an der Universität Saarbrücken über das Thema »Soziale Klassen und Klassenkonflikt in der industriellen Gesellschaft«
1958
Professor für Soziologie an der Akademie für Gemeinwirtschaft in Hamburg, zugleich Vorlesungen an der Universität Hamburg
1960
Professor für Soziologie an der Universität Tübingen
1966
Professor für Soziologie an der Universität Konstanz
1967
Vorsitzender der deutschen Gesellschaft für Soziologie
1968
Mitglied im Bundesvorstand der FDP
1969
Parlamentarischer Staatssekretär im Auswärtigen Amt
1970
EG-Kommissar zunächst für Außenhandel und dann für Forschung, Wissenschaft und Bildung
1974
Rektor der London School of Economics
1982
Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung
1984
Professor für Soziologie an der Universität Konstanz
1987
Rektor des St Antony’s College der Universität Oxford
1988
Eintritt in die Liberal Democrats in Großbritannien
1991
Prorektor der Universität Oxford
1993
Mitglied des House of Lords des britischen Parlaments
1998
Annahme der britischen Staatsbürgerschaft (neben der deutschen)
2005
Forschungsprofessur am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
2008
Vorsitzender der Zukunftskommission der Landesregierung Nordrhein-Westfalen
Rezeption
Mehr als 25 internationale Ehrendoktorwürden
1974
Großkreuz des Verdienstordens des Großherzogtums Luxemburg
1975
Belgisches Großkreuz des Ordens Leopolds II.
1975
Großes Goldenes Ehrenzeichen am Bande für Verdienste um die Republik Österreich
1982
Knight Commander des Order of the British Empire
1989
Großes Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland
1993
Life Peer als Baron Dahrendorf (Großbritannien)
1994
Reinhold-Maier-Medaille
1997
Theodor-Heuss-Preis
1999
Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg
1999
Ehrensenator der Universität Hamburg
2002
Großkreuz des Verdienstordens der Italienischen Republik
2002
Walter-Hallstein-Preis
2003
Orden Pour le Mérite für Wissenschaft und Künste
2007
Prinz-von-Asturien-Preis
2009
Schader-Preis
Literatur
Ralf Dahrendorf: Über Grenzen. Lebenserinnerungen, München 2002.
Weik 2003, S. 30.
Frauke Hamann: Der öffentliche Intellektuelle. Zum 80. Geburtstag von Ralf Dahrendorf, in: Die neue Gesellschaft, Frankfurter Hefte, 56, 2009, 5, S. 78-79.
Jürgen Kocka: Ralf Dahrendorf in historischer Perspektive, in: Geschichte und Gesellschaft, 35, 2009, 2, S. 346-352.
Thomas Hauser (Hrsg.): Der Zeitungsmensch. Auf den Spuren von Ralf Dahrendorf in Südbaden, Rombach 2010.
Regine Folkerts: Ralf Dahrendorf. Ein Weltbürger in Bonndorf zuhause, in: Heimat am Hoch-Rhein, 37, 2012, S. 34-40.
Albrecht Rothacher: Die Kommissare. Vom Aufstieg und Fall der Brüsseler Karrieren, Baden-Baden 2012, S. 87-100.
Thomas Hauser: Ralf Gustav Dahrendorf, in: Baden-Württembergische Biographien, 6, 2016, S. 61-67.
Franziska Meifort: Ralf Dahrendorf. Eine Biographie, München 2017.