Wilhelm Braun

Verfolgung
1936
Braun ist Bürgermeister von Weingarten. 1936 gerät er in Konflikt mit dem württembergischen Reichsstatthalter und Gauleiter Wilhelm Murr. Murr plant, das Weingartener Klostergebäude zu beschlagnahmen, um dort eine Garnison der SS unterzubringen. Braun verhindert jedoch dieses Vorhaben. Er nutzt seine Kontakte zur Wehrmacht und erreicht, dass statt einer SS-Einheit eine Garnison der Wehrmacht in Weingarten (in der neu gebauten Argonnenkaserne) stationiert wird. Ende 1936 wird deshalb ein dienstliches Strafverfahren gegen Braun eingeleitet. Am 24. September 1937 wird Braun seines Amts als Bürgermeister enthoben und in den Ruhestand versetzt. Nach seiner Entlassung fürchtet Braun, in »Schutzhaft« genommen zu werden. Er geht deshalb für vier Wochen nach München, wo ihm Freunde einen Aufenthalt in einem Exerzitienhaus vermittelt haben.
nach 1937
Die NS-Behörden verweigern Brauns Familie die Kinderbeihilfe. Die NSDAP-Kreisleitung verhindert außerdem, dass Brauns kranke Ehefrau eine Haushaltshilfe bekommt.
nach 1937
Brauns ältester Sohn wird von den NS-Behörden als »politisch unzuverlässig« eingestuft. Er darf deshalb nicht an einer Hochschule studieren.
1944
Braun wird nach dem gescheiterten Attentat auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 für zweieinhalb Wochen im Gefängnis in Ravensburg inhaftiert.
24.04.1945
Braun wird am 24. April 1945 von der SS verhaftet. Vermutlich soll er kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs hingerichtet werden. Zunächst wird Braun in das Büro der NSDAP-Kreisleitung in Ravensburg, dann ins dortige Polizeigebäude gebracht. Anschließend wird er gefesselt in einem Viehtransporter nach Kempten gefahren. In der Folge wird Braun in verschiedenen SS-Dienststellen untergebracht. Brauns letzter Haftort ist das Gefängnis in Wangen, aus dem er am 29. April 1945 von den vorrückenden französischen Truppen befreit wird. (Aus Dank für sein Überleben stiftet Braun 1954 den Sankt-Martinus-Brunnen vor der Basilika in Weingarten. Die Inschrift des Brunnens lautet: »Barmherzigkeit des Herrn ist es, dass wir nicht vernichtet sind.«)
Biografie
Volksschule
Gymnasium
1903
Lehre im Bezirksnotariat in Weingarten
1909
Tätigkeit im Verwaltungsdienst der Stadt Weingarten
1909
Notariatsassistent in Weingarten
1912
Ratschreiber der Stadt Weingarten
1914
Stadtpfleger in Weingarten
1916
Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg
Mai 1920
Stadtschultheiß bzw. Bürgermeister von Weingarten
nach 1937
Tätigkeit beim Wehrkreiskommando in Ravensburg, zuletzt als Leiter der Wehrmachtshauptkasse
Braun erhält während des Zweiten Weltkriegs zweimal einen Einberufungsbefehl für das Ausheben von Panzergräben im Westen. Er entzieht sich jedoch beide Male durch mehrwöchige Abwesenheit aufgrund von angeblichen Dienstreisen für das Wehrkreiskommando.
1945
Erneut Bürgermeister von Weingarten, zunächst von der französischen Militärregierung kommissarisch ernannt, ab 1946 gewählt
Mitglied des Kreistags und des Kreisrats des Landkreises Ravensburg
Vizepräsident des Gemeindetags von Südwürttemberg-Hohenzollern
Rezeption
1952
Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
1954
Ehrenbürger der Stadt Weingarten
Literatur
Werner Heinz: Altdorf-Weingarten 1805-1945. Industrialisierung, Arbeitswelt und politische Kultur, Bergatreute 1990, S. 314-315.
Norbert Kruse (Hrsg.): Weingarten. Von den Anfängen bis zur Gegenwart, Biberach an der Riß 1992, S. 361-366, 369, 376.
Uwe Lohmann: Verheerender Luftangriff auf die Argonnenkaserne, in: Kriegsende und Neubeginn. Das Jahr 1945 in Ravensburg, Weingarten und Umgebung, hrsg. von Sibylle Emmrich, Dorothee Breucker, Peter Eitel, Ravensburg 1996, S. 23.
Weik 2003, S. 24.
Frank Raberg: Die Protokolle der Regierung von Württemberg-Hohenzollern. Das erste und zweite Staatssekretariat Schmid. 1945-1947, 1, Stuttgart 2004, S. 259.
Norbert Kruse: Weingartens Straßennamen im »Dritten Reich«. Begleitbuch zur Ausstellung im Weingartener Stadtmuseum »Schlössle«, Bergatreute 2009, S. 32-34, 36-37.
Dirk Grupe: Spurensuche. Braun und die Braunen. Über die Rolle des ehemaligen Weingartner Bürgermeisters im Dritten Reich, in: Schwäbische Zeitung, 15. April 2011.
Markus Reppner: Nur wenige haben sich so verdient gemacht. Zum 130. Geburtstag des Weingartner Bürgermeisters Wilhelm Braun, in: Schwäbische Zeitung, 5. Dezember 2017.
Markus Reppner: Ein Denkmal der Barmherzigkeit. Weil er den Krieg überlebte, schenkte ein Bürgermeister der Stadt den St.-Martinus-Brunnen, in: Schwäbische Zeitung, 11. Dezember 2017.