29. November 2024

Eröffnung der LpB-Außenstelle Tübingen

Landtagspräsidentin Muhterem Aras am Rednerpult

[Anrede]

ich freue mich sehr, heute zur Eröffnung der LpB-Außenstelle Tübingen bei Ihnen zu sein. Schön, dass Sie so zahlreich gekommen sind!

Für den Landtag begrüße ich den parl. Geschäftsführer Herrn Lede Abal, Fraktion GRÜNE, die stv. Fraktionsvorsitzende Frau Dr. Kliche-Behnke, SPD-Fraktion sowie den stv. Fraktionsvorsitzenden Dr. Kern für die FDP/DVP-Fraktion.

Als Vorsitzenden des Kuratoriums der LpB begrüße ich Herrn Abgeordneten Poreski.

Für die Universitätsstadt Tübingen begrüße ich Herrn Oberbürgermeister Palmer, für den Landkreis Tübingen die Erste Landesbeamtin Frau Dr. Hüttig.

Stellvertretend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der LpB begrüße ich sehr herzlich Frau Direktorin Thelen. Ein besonderer Gruß gilt am heutigen Tag der Leiterin der Außenstelle Tübingen, Frau Meitner, und ihrem Team. Liebe Frau Meitner, Sie vervollständigen heute offiziell das Kleeblatt der LpB-Außenstellen Heidelberg, Freiburg, Ludwigsburg und Tübingen. Das vierte Blatt ist ja bekanntlich das glückbringende. Ich wünsche Ihnen und Ihrem Team weiterhin viel Erfolg für Ihre Arbeit – jetzt an der neuen Adresse im Zentrum Tübingens. 

Hier sind Sie in bester Gesellschaft, wie Herr Oberbürgermeister Palmer sicherlich bestätigen wird: Eine der demografisch jüngsten Städte Deutschlands und gleichzeitig eine der ältesten Universitäten des Landes. Die Universität besitzt eine solche internationale Strahlkraft, ist verbunden mit so vielen großen Namen kluger Menschen, dass dieses Erbe alleine schon ein inspirierendes Umfeld ist für fachübergreifende Zusammenarbeit. Herausgreifen – als ein Forschungs- und Bildungsinstitut an der Universität Tübingen – möchte ich das Weltethos-Institut. Es soll Werteorientierung in Wirtschaft und Gesellschaft fördern, Vertrauen schaffen für ein gutes Miteinander. Auch das neue Institut für Rechtsextremismusforschung bereichert seit kurzem die Forschungslandschaft in Baden-Württemberg: eine Partnerschaft mit der LpB ist auch hier nur folgerichtig. An dieser Stelle ein herzliches Willkommen an Frau Professorin Amos, Prorektorin der Universität Tübingen für Studierende, Studium und Lehre.

Ein herzliches Willkommen auch allen weiteren aktuellen – wie vielleicht auch zukünftigen –Kooperationspartnerinnen und -partnern der LpB aus Zivilgesellschaft, Kultur- und Bildungseinrichtungen, Gedenkstätten und Verwaltung. Das breite Netzwerk der LpB wird gerade heute mit Ihnen sichtbar.

Liebe Gäste, der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung Thomas Krüger verglich seine Arbeit mit der Situation von Sisyphus: Der Stein muss immer wieder den Berg hinaufgerollt werden. Weil Menschen eben nicht indoktriniert werden, sondern ihnen ein Angebot gemacht wird, sich selbst weiterzubilden und zu reflektieren. Immer und immer wieder. Aber während so ein Berg Jahrtausende unverändert bleibt, verwandelt sich unsere Welt in kürzester Zeit. Seit den Nullerjahren ändern die sogenannten Sozialen Netzwerke und Messengerdienste die Art, wie wir unsere Meinung bilden, wie wir lernen und wie wir arbeiten. Seit gerade mal zwei Jahren sind ChatBots wie ChatGPT einer breiten Masse bekannt, und schon revolutionieren sie unser Leben.

Bei allen Vorteilen, die diese Entwicklungen mit sich bringen, sägen die Nachteile an den Grundfesten der Demokratie! Es ist mittlerweile eine Binsenweisheit: die Digitalisierung verändert den Kitt, der unserer Gesellschaft zusammenhält und rüttelt an den Grundfesten demokratischer Gesellschaften: Die Algorithmen belohnen und verstärken Polemiker und Populisten. Die Anonymität öffnet Hass und Hetze Tür und Tor. Deep Fakes und Internet-Trolle untergraben ganz gezielt das Vertrauen in unsere Institutionen. Was im digitalen Raum passiert, hat ganz konkrete Auswirkungen auf das gesellschaftliche Klima, auf die Streitkultur und auf die Sicherheit von Gesellschaftsgruppen im Hier und Jetzt: auf Juden als Ziel von antisemitischer Gewalt. Auf politische Mandatsträger wie Bürgermeisterinnen und Abgeordnete, die beleidigt, bedroht und angegriffen werden. Und auf Schülerinnen und Schüler, die unter täglichem Cybermobbing leiden.

Es hat auch Auswirkungen auf die großen Fragen des Zusammenlebens: Nach einer aktuellen Autoritarismus-Studie der Uni Leipzig sagen nur vier von zehn Menschen, dass unsere Demokratie im Alltag funktioniert. Das ist natürlich nicht allein die Schuld der Sozialen Medien. Es ist aber das Ergebnis der mantra-artig wiederholten Lüge des Staatsversagens der extremen Rechten, die sich in den Echokammern des Netzes blitzartig verbreiten.

Was also dagegen tun?

Sollten zum Beispiel demokratische Institutionen auf Plattformen wie X und TikTok präsent sein, obwohl sie Datenkraken sind und jungen Menschen schaden? Und wenn nicht, wie erreichen wir die dortigen Desinformierten oder Desinteressierten? Wie erreichen wir diejenigen, die mit ihren Sorgen und Ängsten wahrgenommen werden möchten? Kurz: Wie schaffen wir es, mit unterschiedlichen politischen Haltungen Auseinandersetzungen in der Sache zu führen, mit Anstand, Respekt und auf dem Boden der Tatsachen?

Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der LpB, Sie haben Antworten darauf: Sie vermitteln das Handwerkszeug, um sich in unserer immer komplexer werdenden Welt zurechtzufinden: Wie man demokratisch streitet: engagiert, faktenbasiert und sachorientiert. Wie man sich von einer demokratiefeindlichen Ideologie distanziert, nicht aber von allen Menschen, die diese mal mehr oder weniger vehement vertreten. Sie qualifizieren dazu, Fake News zu erkennen, KI zu verstehen und zu nutzen, Verschwörungstheorien zu enttarnen und sich im digitalen Raum zu schützen. Und mit dem Cyber Valley arbeiten Sie Tür an Tür mit Europas größter Zukunftsschmiede im Bereich der KI. Auch hier: enormes Potenzial an Partnerschaften – ob es um rhetorische Wissensvermittlung geht oder ganz andere Bereiche.

Liebe Gäste, das ist ein riesiger Berg an Aufgaben, Fragen, aber auch Möglichkeiten… 

Und dort oben hinauf soll also der Stein des Sisyphus! Es ist wahrlich eine herausfordernde, eine anspruchsvolle Arbeit, die Sie als LpB hier leisten! Von der neuen Außenstelle spannen Sie nun das Demokratienetz im Regierungsbezirk Tübingen weit in die Fläche. Vermitteln Sie politische Bildung vor Ort. Dass die LpB wieder in allen Regierungsbezirken mit Außenstellen vertreten ist, kommt genau zur richtigen Zeit. Denn: persönliche Begegnung und persönlicher Austausch sind notwendig, um die digitalen Echokammern aufzubrechen. Und um die Zivilgesellschaft zu stärken, die die Autokraten in aller Welt fürchten. 

Denn eine starke Zivilgesellschaft kann unbequem sein für die, die einfach durchregieren wollen. Eine Zivilgesellschaft, die hinterfragt, die widerspricht. Die Extremisten sehen in solch einer Zivilgesellschaft eine Gefahr, und so werden sie umgekehrt zur Gefahr für die Zivilgesellschaft.

In Deutschland möchte der Thüringer Landeschef der AfD – Zitat – „die sogenannte Zivilgesellschaft trockenlegen“. Sein Landesverband und andere versuchen wiederholt, Programme zur Demokratiestärkung und gegen Rassismus die Mittel zu entziehen. 2017 schon beantragte die AfD-Fraktion in Baden-Württemberg der Landeszentrale mit Ausnahme der Gedenkstättenarbeit alle Mittel zu streichen.

Ich bin froh, dankbar und stolz, dass die Mehrheit des Landtags mit den Fraktionen Grüne, CDU, SPD und FDP/DVP genau das Gegenteil gemacht hat: In die politische Bildung wurde in den letzten Jahren immer stärker investiert: finanziell, personell sowie regional. Und ich bin zuversichtlich, dass der Landtag mit den genannten Fraktionen dies auch weiterhin tun wird.

Denn auch wenn die Parteien der demokratischen Mitte sich über die Lösungen unserer Probleme nicht immer einig sind: wenn es darauf ankommt, wenn es um unsere Demokratie geht, wenn es um den Schutz vor Antisemitismus, Hass und Hetze geht: dann stehen wir im Schulterschluss zusammen!

Meine Damen und Herren, es ist das Gebot der Stunde, unsere Demokratie und unsere Institutionen gegen Verfassungsfeinde zu schützen! Die Verfassungsgerichte, die Parlamente, die Behörden der Exekutive sowie die Institutionen der Zivilgesellschaft, die Medien, die Wissenschaft, die Bildung.

Und das Gebot der Stunde ist auch, den Zusammenhalt zu wahren. Dafür ist es so wichtig, sichere Räume zu schaffen. Räume, in denen Diskussion möglich ist, ohne Menschen zu diskreditieren. Räume, die außerhalb der Tagespolitik und den sich überschlagenden Schlagzeilen liegen. Räume, die den Bürgerinnen und Bürgern Zeit und Unterstützung bieten, das politische System zu erkunden. Diese Räume sind der Kern der deliberativen Demokratie, die die politische Teilhabe nicht nur auf ein Kreuz auf dem Wahlzettel beschränkt. Sondern die ihrem Souverän zutraut, das beste Argument im demokratischen Streit zu suchen, zu finden und anzunehmen. Von Herausforderung zu Herausforderung. Immer und immer wieder. Unsere Landeszentrale ist ein solcher Raum, den es zu hegen und zu pflegen gilt, wo wir nur können.

Liebe Gäste, wir gehören zu den demokratischsten Ländern der Erde. Das sagt der Economist Demokratie-Index. Wir gehören zu den friedlichsten Ländern der Erde. Das sagt der globale Friedensindex. Wir gehören zu den freiesten Ländern der Erde. Das sagt der Freedom House Index. Und: wir leben in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt; der größten in Europa. Das sind etliche Hinweise darauf, dass wir an einem der lebenswertesten Orte der Erde leben dürfen: Das ist kein Staatsversagen, das ist ein Segen, und – vor allem – eine kollektive Gemeinschaftsleistung! 

Für diese Gemeinschaftsleistung lohnt es sich, den Stein des Sisyphus immer wieder den Berg hochzurollen. Dafür wünsche ich Ihnen, liebes Team der LpB, auch am neuen Standort in Tübingen viel Kraft, Geduld und einen langen Atem! Ich bin sicher, Sie werden mit Ihrer Kompetenz und Ihrem Engagement noch einiges ins Rollen bringen!