Fastenpredigt Liebfrauenkirche Ravensburg: „Das Grundgesetz, unser Kompass für ein friedliches Zusammenleben"

Sehr geehrter Herr Dr. Schindler, sehr geehrte Damen und Herren,
auf dem Vorplatz Ihrer Kirche steht die Mariensäule der Künstlerin Maria Elisabeth Stapp. Errichtet zum Dank, dass Ravensburg im Zweiten Weltkrieg weitgehend von Luftangriffen verschont wurde. Die Säule mutet brüchig an: tiefe Furchen durchziehen sie. Sie drohen, immer weiter aufzubrechen, nur 24 Klammern halten sie noch zusammen. Diese Klammern, das sind die Artikel unseres Gesellschaftsvertrags, das sind die Artikel unseres Grundgesetzes. Das ist – heute – unser Fundament für ein friedliches Zusammenleben.
Liebe Gäste, ich freue mich sehr, heute bei Ihnen in Ravensburg zu sein. Ich freue mich, zur Fastenzeit bei Ihnen zu sein – einer Tradition, die viele Religionen eint, als Moment der Erwartung und der inneren Einkehr. Und ich freue mich, dass Sie so zahlreich gekommen sind, um gemeinsam Gottesdienst zu feiern. Um friedlich Gottesdienst zu feiern.
Eigentlich überflüssig, das zu erwähnen, oder? Frieden ist ein Wort, das im alltäglichen Sprachgebrauch selten auftaucht. Seine Verwendung nimmt erst dann rapide zu, wenn Frieden nicht mehr selbstverständlich erscheint. Als die Mütter und Väter des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat das Grundgesetz aus der Taufe hoben, taten sie das umgeben von den Trümmern einer zwölfjährigen menschenverachtenden Diktatur. Sie taten es mit den Erfahrungen der politischen Unsicherheiten von 15 Jahren Weimarer Republik und insgesamt 10 Jahren unvorstellbarer Weltkriegsgräuel. Frieden war für sie keine Selbstverständlichkeit!
Mit dem Grundgesetz schufen sie deshalb die Grundlage, damit die nachfolgenden Generationen – damit wir – in Deutschland seit mehr als 75 Jahren in Frieden leben können. Wie haben sie das geschafft? Und – welche Verantwortung haben sie uns hinterlassen, ihr Erbe zu bewahren? Diesen beiden Fragen will ich heute gemeinsam mit Ihnen nachgehen.
Eine Nation ist nichts ohne die Menschen, die sie täglich aus Überzeugung leben. Sie ist eine tägliche Volksabstimmung. Sie ist die tägliche Entscheidung der Menschen, zusammen zu leben, so beschrieb es der französische Historiker Ernest Renan bereits 1882. So sieht das auch das Grundgesetz. Es versteht unsere Nation, unsere Gesellschaft als Gemeinschaftsprojekt, das jede und jeder von uns mit-gestalten kann.
Ganz anders sahen das die Nationalsozialisten: Der NS-Staat hatte das Kollektiv an erste Stelle gestellt: „Du bist nichts, dein Volk ist alles,“ stand damals in einem Spruchband. Und wer die Macht darüber besaß zu bestimmen, wer das Volk ist, hatte so die Macht über alle. So kann keine Gesellschaft langfristig überdauern. So eine Gesellschaft muss zu viele Ressourcen in die Kontrolle stecken, damit niemand ausschert. So eine Gesellschaft sieht Veränderungen nicht kommen, sie kann nicht flexibel auf sie reagieren. Denn Abweichungen von der von ihr festgelegten Norm sind tödlich für eine Diktatur. Darum muss sie die Bürgerinnen und Bürger nicht nur im öffentlichen Raum, sondern auch in der privaten Sphäre kontrollieren.
Ganz anders das Grundgesetz: Es schreibt uns nicht vor, auf eine bestimmte Art „deutsch“ zu sein. Artikel 116 stellt nur fest: Deutscher ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt: Punkt. Das ist die einzige Eintrittskarte, die man braucht, um Bürgerin oder Bürger dieses Landes zu sein. Dafür müssen wir keinen historischen Stammbaum vorweisen, kein bestimmtes Aussehen oder Geschlecht haben, keiner bestimmten Religion folgen, keiner Partei angehören, wir müssen nicht reich sein oder uns einer bestimmten Leitkultur unterwerfen.
Es gibt nur eine Identität, die das Grundgesetz für uns vorsieht. Es ermöglicht uns, Mensch zu sein. Es ermöglicht uns, wir selbst zu sein. Und das alles in nur einem Satz: Deine Würde ist unantastbar!
Anders gesagt: Das Grundgesetz ist auf Vielfalt ausgelegt: Artikel 1 erkennt und bekennt sich explizit zu den Menschenrechten als Grundlage für den Frieden und das Zusammenleben. Es bietet ein Zuhause für alle Menschen, die in unserer Gesellschaft leben und an ihr mitwirken wollen.
Und – obwohl das Grundgesetz die unglaubliche Vielfalt der menschlichen Existenz nicht nur erlaubt – nein, sie sogar ermutigt aufzublühen – führt es dennoch nicht zur Anarchie. Das ist ja oft das Argument: Freie Selbstentfaltung führe zum Untergang der Werte, zu Willkür, zu Chaos. Eine demokratische Ordnung ist aber eben auch eine Form von Ordnung. Ordnung lässt sich nicht allein dadurch herstellen, dass sich eine Gruppe über- und die andere unter-ordnet. Dass sich der Stärkere über den Schwächeren erhebt, die Reiche über die Arme, der Laute über den Besonnenen.
Ordnung entsteht auch durch Kooperation: Wenn allgemeingültige Regeln mit der Beteiligung aller – statt mit dem Recht des Stärkeren festgelegt werden. Mit einer freien Wahl statt eines Putsches, mit öffentlichen Anhörungen statt präsidialen Dekreten, mit einer starken Zivilgesellschaft statt Verfolgung und Verhaftung der Opposition.
Für mich ist das eine riesige Errungenschaft: Das Grundgesetz schafft es wie keine andere Verfassung vor ihm individuelle Freiheit und gesellschaftliche Ordnung in Einklang zu bringen. Es löst den Widerspruch zwischen beiden Konzepten auf: Auf der einen Seite sind wir frei uns zu entfalten. Und auf der anderen Seite haben wir die Freiheit, nach Gesetzen, die wir uns selbst gegeben haben, zusammen zu leben. Das ist unsere Demokratie.
Unterstützt wird sie durch zwei weitere, elementare Konzepte: Der Rechtsstaat bindet Staat und Bürger an eben diese Gesetze: Das fördert das Vertrauen untereinander. Der Sozialstaat verringert ökonomische Ungleichheiten und verbessert die Chancengleichheit: Damit alle Menschen ein Leben in Würde führen können, damit aller Teil der Gesellschaft sein können. Dieser Dreiklang aus Demokratie, Rechtsstaat und Sozialstaat bildet die stabile Plattform für den Diskurs: Unseren demokratischen Diskurs, in dem wir verschiedene Interessen und Bedürfnisse gegeneinander abwägen. Unseren friedlichen Diskurs, in dem wir Konflikte über Kompromisse lösen. Und letztendlich auch unseren demütigen Diskurs.
Bereits in der Präambel erinnern uns die Mütter und Väter des Grundgesetzes an die Verantwortung vor Gott und den Menschen. Sie warnen davor, dass wir uns überschätzen.
Sie warnen davor, dass wir uns selbst überhöhen. In der europäischen Geschichte gab es bereits zwei Versuche, Staaten ohne Religion zu gründen: Die menschliche Vernunft sollte das Fundament der Gesellschaft sein, so die Überlegung. Die Französische Revolution schaffte nicht nur die absolute Monarchie ab, sondern die katholische Kirche im Staatsgebiet gleich mit! Den gleichen Gedanken verfolgten auch die russischen Revolutionäre von 1918: Das Ende des Zaren sollte auch das Ende der russisch-orthodoxen Kirche sein. Niemand – weder weltliche noch geistliche Macht – sollte sich länger über das Volk, über den Menschen, erheben dürfen.
Beide Versuche scheiterten! Die neuen Regierungen konnten keinen Ersatz für die Religion und ihre Kirchen finden. Es gab nichts, was die Menschen ähnlich einte, was sie zusammenkommen lies. Nichts, was ihnen vergleichbaren Halt gab. Stattdessen endeten beide Systeme im Terror: Statt der ungezügelten Vernunft des Menschen herrschten erneut ungezügelte Menschen: Napoleon in Frankreich und Stalin in der Sowjetunion.
Das Grundgesetz legt die Verantwortung der Regierung in unser aller Hände. Wenn wir unsere demokratischen Rechte und Pflichten wahrnehmen, dann können wir dies frei tun. Die Präambel erinnert uns jedoch daran, dass wir nicht nur für uns selbst in der demokratischen Gesellschaft handeln, sondern dass unsere Entscheidungen auch Auswirkungen auf andere haben: auf unsere Nachbarn, auf unsere Kirchengemeinde, auf unsere Teammitglieder im Sportverein, auf unsere Arbeitskolleginnen und Kollegen. Aber auch auf die, die wir vielleicht nur aus dem wortlosen Vorbeigehen kennen: auf die Obdachlosen auf der Straße, auf die Geflüchtete in der Schlange vor dem Amt, auf die Armen und Kranken unserer Gesellschaft. Die Präambel erinnert uns daran, dass die freiheitliche Demokratie auch eine Aufgabe ist. Ob wir für sie am Ende vor Gott oder vor uns selbst Rechenschaft ablegen, das überlässt sie wiederum uns!
Demokratie, Rechtsstaat, Sozialstaat und die Demut vor unserer demokratischen Verantwortung. All das ist die Idee, ist der Geist, ist der Schatz des Grundgesetzes. Die so ermöglichte menschenliebende Demokratie-gesellschaft ist – für mich – der friedenstiftende Kern unserer Verfassung. Und das nicht nur für uns in Deutschland: Demokratien führen untereinander weniger Kriege. Sie sind damit auch die Keimzelle für Frieden in der Welt.
Meine Damen und Herren, wir wissen alle, dass zentrale Werte des Grundgesetzes seit einiger Zeit zunehmend unter Druck stehen. Dass Rufe laut werden, Ordnung nicht mehr über friedliche Kooperation zu garantieren. Etwa durch libertäre Oligarchen in den USA, die sich selbst als Cäsaren fühlen und in Donald Trump einen gleichgesinnten Verbündeten gefunden haben. Die an die Herrschaft der Technik und der Effizienz glauben und dabei ihre Menschlichkeit vergessen. Durch Populisten, die unsere gesellschaftlichen Diskussionen bewusst polarisieren und mit Lügen torpedieren. Und durch die allgemein steigende Zustimmung zu Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt.
Und je mehr Zustimmung die Demokratiefeinde auch in Deutschland erhalten, desto öfter frage ich mich nach dem Warum. Warum wird ein Wertesystem, das uns über 75 Jahre Frieden geschenkt hat, in seinem Kern in Frage gestellt? Warum wünschen sich Menschen zunehmend ein autokratisches System, das ihre eigene Freiheit beschränken wird? Warum wählen weltweit immer mehr Menschen ein autokratisches System, das sie nachweislich ökonomisch schlechter stellen wird? Warum werden diesbezügliche Warnungen und die Lehren aus der Geschichte leichtfertig in den Wind geschlagen?
Etwa die Warnung unserer Gedenkstätten, die aufzeigen, welch unvorstellbares Ausmaß der Vernichtung macht-enthemmte Autokratien annehmen können. Oder zum Beispiel die Memoiren des österreichischen Schriftstellers Stefan Zweig. Seine Werke fielen der NS-Bücherverbrennung zum Opfer: aufgrund seiner jüdischen Abstammung musste er seine Memoiren 1942 im brasilianischen Exil verfassen. Über den Beginn der NS-Herrschaft vermerkt er darin: „Niemand glaubte an Kriege, an Revolutionen und Umstürze. Alles Radikale, alles Gewaltsame schien bereits un-möglich in einem Zeitalter der Vernunft.“ Zu wenige hörten die öffentlichen Ankündigungen der Autokraten. Zu wenige nahmen sie ernst. Zu wenige hatten Bedenken. Adolf Hitler erklärte Ende 1931 einem Journalisten der New York Times, dass er auf demokratischem Weg an die Macht wolle, um sie dann nach seinen Bedürfnissen umzubauen.
Auch heute finden die Angriffe auf die liberale Demokratie, auf den Rechtsstaat nicht im Verborgenen statt: Recep Erdogan rezitierte Ende der 90er Jahre in Gedichtform seine Absicht, die Demokratie zur Errichtung einer islamisierten, autokratischen Türkei nutzen zu wollen. Wladimir Putin betonte bereits 1996 im von ihm beauftragten Film „Männerarbeit“: „Uns allen scheint es so – und ich will es nicht verheimlichen, auch mir scheint es so – wenn einer mit harter Hand eine strenge Ordnung einführte, so würde es uns allen besser gehen.“ Donald Trump setzt gerade das „Projekt 2025“ zur Kontrolle der Exekutive um, veröffentlicht wurde es bereits vor seiner zweiten Wahl. Anders gesagt: Einmal an der Macht, werden Autokraten ihre angekündigten Ziele auch umsetzen. Sie werden sich nicht entzaubern. Sie zaubern sich vielmehr ihre eigene Realität. Sie entledigen sich moderater Kräfte in ihrer eigenen Bewegung, sie werden radikaler. Einmal an der Macht, werden Autokraten den Staat und die Gesellschaft nach ihren Vorstellungen umbauen: auch hier in Deutschland.
Alexander Gauland sagte über die Parteien, die auf dem Boden der Verfassung stehen: „Wir werden sie jagen.“ Der sozialpolitische Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion sagte über die – nach eigenen Angaben – millionenfachen Remigrationspläne seiner Partei: „Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen.“ Und ein AfD-Landtagsabgeordneter aus Brandenburg sagte: „Wenn wir morgen in einer Regierungsverantwortung sind, dann müssen wir diesen Parteienstaat ab-schaffen." Die Pläne der Demokratiefeinde sind sichtbar! Wenn man sie sehen will!
Alle gesellschaftlichen Akteure müssen sich die Frage stellen, ob sie genug tun, um Rechtsextremisten den Nährboden zu entziehen. Oder diesen – absichtlich oder nicht – weiter füttern! Wenn es aus bayrischen Bierzelten tönt, statt den Gerichten solle das Volk entscheiden, wer in unser Land kommt, dann delegitimiert das unseren Rechtsstaat. Wenn reißerische Überschriften in den Medien den diffusen Eindruck von Unsicherheit verstärken, dann sägt das am so wichtigen Vertrauen in der Gesellschaft. Und dann gibt es die unmittelbare Unterstützung: Wer Desinformationen verbreitet, wer rechtsextreme Parteien wählt, der bringt Menschen in Gefahr!
Denn all das befeuert die Spirale der Unsicherheit, all das vergiftet den Diskurs, all das schädigt das Vertrauen in unsere Mitmenschen und in die Zukunft. Ich lasse noch einmal Stefan Zweig zu Wort kommen: „Lächelnd warteten im Hintergrund dieselben, die das deutsche Volk in dieses Chaos getrieben, mit der Uhr in der Hand: ‚Je schlimmer im Land, desto besser für uns.‘ Sie wussten, dass ihre Stunde kommen würde.“ Knapp 80 Jahre später sagte ein Pressesprecher der AfD: „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD.“
Doch bei allen passenden und warnenden Vergleichen zwischen 1930 und heute gibt es auch entscheidende Unterschiede: Unser wehrhaftes Grundgesetz. Unsere starken Institutionen – von den Gerichten, über einen unabhängigen öffentlichen Rundfunk, hin zu Einrichtungen für die politische Bildung. Und vor allem: Unsere unglaublich starke Zivilgesellschaft! Die – auch wenn nicht immer alles gut läuft – von den Werten des Grundgesetzes, von den universellen Menschenrechten und der Verfassung unseres demokratischen Rechtsstaats überzeugt ist. Überzeugt davon, dass wir unsere Herausforderungen miteinander im demokratischen Diskurs lösen können. Diese demokratische Debattenkultur ist das Herz eines gelebten Grundgesetzes.
Teil dieser Debattenkultur sind wir alle! Und wir alle haben dadurch einen direkten Einfluss auf die allgemeine Stimmung im Land. Meine Damen und Herren, sind wir uns bewusst, dass wir bei jedem Gespräch eine Verbindung mit unserem Gesprächspartner eingehen? Ein Gespräch ist immer auch eine Tür, die wir für unsere Gegenüber öffnen. Die türkische Sprache kennt diesen Zusammenhang: Dort gibt es das schöne Wort ‚muhabbet‘: Es bezeichnet ein freundschaftliches Gespräch; und bedeutet gleichzeitig auch Liebe und Zuneigung. Sei der Austausch kurz oder lang, sei er tiefschürfend oder nur ein freundliches „Hallo“ beim Betreten eines Raumes: Jeder von uns freut sich: wenn einem vorbehaltlos zugelächelt wird, Wenn jemand freundlich zu uns ist, sich für uns interessiert. Probieren Sie es gleich aus, hier und heute Abend: Sprechen Sie mindestens eine Person an, die Sie noch nicht kennen. Und schauen Sie einfach mal, wie sich das Gespräch entwickelt.
„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ und auch „der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst.“ Das lesen wir im dritten Buch Mose: es ist ein Auftrag! Erfahren wir unsere Nachbarn, unsere Arbeitskolleginnen und uns selbst als Mitmenschen, nicht als Gegenmenschen.
Liebe Gäste! Unser deutscher Optimismus sieht das Glas ja bekanntlich eher als halb leer an. Und die Nachrichten aus aller Welt über Krieg, autokratische Vorstöße und andere Hiobsbotschaften stärken wahrlich nicht Hoffnung und Zuversicht. Doch es gibt sie, die guten Nachrichten für die Zukunft!
Ich sehe die Millionen Demokratinnen und Demokraten, die seit Januar 2024 die Straßen deutscher Innenstädte füllen, die lautstark eintreten für Demokratie, Vielfalt, Toleranz und Respekt — wie auch hier in Ravensburg. Die den Demonstrationen der extremen Ränder zahlenmäßig haushoch überlegen sind.
Ich sehe die Kirchengemeinden, die nicht müde werden, Botschaften der Nächstenliebe, der Solidarität zu verbreiten. Kirchengemeinden, die für viele Menschen ein Anker sind in unruhigen Zeiten. Die die Flagge der Nächstenliebe hochhalten. Wie die Bischöfin von Washington, Mariann Edgar Budde, die Präsident Donald Trump vor laufenden Kameras um Mitgefühl für Minderheiten bat. Minderheiten, die Angst vor der neuen Regierung hatten – zurecht!
Ich sehe die zehntausenden Menschen, die vor der Bundestagswahl Parteien beigetreten sind, die auf dem Boden des Grundgesetzes stehen: weil sie Teil unserer Demokratie sein wollen, weil sie konstruktiv mitgestalten wollen.
Ich sehe die vielen Millionen Ehrenamtlichen in Baden-Württemberg, die sich auf vielfältige Weise in die Gemeinschaft einbringen.
Und vor allem: Ich sehe und erlebe jeden Tag, dass wir in einem der freiheitlichsten, friedlichsten und demokratischsten Ländern der Erde leben dürfen. Diese großartige, beeindruckende Demokratieleistung – dieser Schatz – ist es wert, von uns bewahrt zu werden. Wenn wir uns vor Augen führen, was uns als Gesellschaft alles gelungen ist, kann uns das eine große Kraft für die Zukunft verleihen.
Liebe Gäste, wir alle konnten beim Betreten der Kirche das Fastentuch bewundern, das von Marlen Alberstetter und Sophia Gast, zwei Schülerinnen am Welfengymnasium, entworfen wurde. Sie stellen den Frieden als Licht in der Dunkelheit dar. Helligkeit, die nicht nur eine Quelle hat, sondern viele kleine – uns alle!
Die Botschaft von Papst Franziskus zur Fastenzeit lautet: „Gehen wir gemeinsam in Hoffnung.“ Er fordert uns darin auf „zu prüfen, ob wir in unserem Leben, in unseren Familien, an unseren Arbeitsplätzen, in unseren Pfarreien oder Ordensgemeinschaften in der Lage sind, gemeinsam mit den anderen zu gehen, zuzuhören und die Versuchung zu überwinden, uns in unserer Selbstbezogenheit zu verschanzen und nur auf unsere eigenen Bedürfnisse zu achten.“
Als Präsidentin des Landtages treffe ich jeden Tag Menschen, die genau das leben: die politische Planspiele für Kinder veranstalten, die Aufkleber mit wütenden Parolen im öffentlichen Raum entfernen, oder die auf Social Media Falsch-Informationen kommentieren. Meine Damen und Herren, das sind kleine Taten mit großer Wirkung, wenn wir alle etwas dazu beisteuern. Wenn wir alle Menschlichkeit und Nächstenliebe zum Fixstern unseres Handelns machen. Wenn wir alle diese Werte hochhalten und verteidigen. Damit wir in zehn, zwanzig Jahren sagen können: „Unser Grundgesetz lebt! Unsere Demokratie lebt! Und wir haben sie bewahrt!“
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen eine friedvolle Fastenzeit und ein hoffnungsvolles Osterfest.
Vielen Dank!