Ehrgeizige Klimaziele in Landnutzung und Forstwirtschaft
Landwirtschaftsausschuss bespricht EU-Verordnung „Fit for 55“
Stuttgart. Mit dem geplanten Gesetzespaket der Europäischen Kommission „Fit for 55“ soll in der Europäischen Union der Klimawandel bekämpft werden. Das Kernziel ist es, die Treibhausgasemission bis zum Jahr 2030 gegenüber 1990 um 55 Prozent zu senken. Nach Aussage des Vorsitzenden Martin Hahn (Grüne) wurden nun in der Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz am Mittwoch, 9. Februar 2022, auf Initiative der CDU-Fraktion die daraus resultierenden Auswirkungen für den Bereich Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) in Baden-Württemberg diskutiert.
Wie Hahn berichtete, sprachen die Regierungsfraktionen von ambitionierten Minderungszielen im „Fit for 55“-Paket für den LULUCF-Sektor - sowohl auf EU als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten. So müssten bis zum Jahr 2030 EU-weit 310 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente im LULUCF-Sektor gebunden werden. Anschließend soll es zu einer Zusammenlegung des LULUCF-Sektors mit dem Nicht-CO2-Sektor der Landwirtschaft kommen. Gemeinsam soll dieser neu geschaffene Bereich bis 2035 Klimaneutralität erreichen.
Die aktuelle Treibhausgasbilanz des LULUCF-Sektors zeige, dass Baden-Württemberg im Jahr 2019 eine Senkenleistung von 7.083 Tonnen CO2 vorweisen konnte, stellte der Vorsitzende fest. Deutschlandweit lag dieser Wert bei 16.464 Tonnen CO2-Äquivalenten. Der größte Anteil entfiel dabei auf Wälder. Aber auch das Grünland spiele eine entscheidende Rolle, waren sich die Abgeordneten in der Ausschusssitzung einig, so Hahn. Die nationale Zielvorgabe für Deutschland von 30,84 Millionen Tonnen gebundenen CO2-Äquivalenten bis zum Jahr 2030 sehe das Ministerium jedoch als nicht realistisch. Bedenken wurden dahingehend geäußert, dass sich die Senkenleistung der Wälder aufgrund ihrer Altersstruktur in Verbindung mit absehbar zunehmenden Störungen wie Sturm, Dürre, Insekten oder Waldbrand bis 2030 deutlich reduzieren und unter der des vergangenen Jahrzehnts liegen würde – so könnten die Emissionen der anderen Teil-Quellgruppen innerhalb des Sektors nicht mehr kompensiert werden. Vielmehr würde sich der Sektor bis 2030 zu einer Quelle von über 22 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten entwickeln.
Besprochen wurde nach Berichten von Hahn außerdem, inwiefern sich Strategien und Maßnahmen, die auf Bundesebene zur Erfüllung der Verordnung eingeführt würden, auf Baden-Württemberg auswirken. Das Landwirtschaftsministerium merkte dabei an, dass die sektorale Betrachtung zu Verzerrungen führe und es keinen Sinn mache, sich auf die Sektoren zu versteifen. So könne es durch neue Regularien zu starken Einschränkungen der Holzentnahme kommen. Dies sehe das Ministerium jedoch kritisch. Holzprodukte würden in dem Fall ersetzt werden durch andere, energieintensive Materialien wie z. B. Stahl und Beton. Diese würden wiederum die Treibhausgasbilanz verschlechterten, da sie in der Regel mit höherem fossilen Energieaufwand hergestellt würden als Holzprodukte, erklärte Hahn. Folglich käme es zu höheren Emissionen in anderen Sektoren, wie z. B. der Baubranche. Mangelndes Holz könnte zudem gegebenenfalls durch Holzimporte aus Drittländern kompensiert werden, wodurch beim Transport weitere CO2-Emissionen entstünden.
Als besonders zielführende Maßnahme in Hinblick auf die Treibhausgasbilanz der Land- und Forstwirtschaft sehe das Landwirtschaftsministerium hingegen die höhere Ausschöpfung des heimisch verfügbaren und nachhaltigen Holzes – damit sollen Substitutionseffekte ausgeschöpft und negative Effekte durch Holzimporte vermieden werden, erläuterte Hahn. Eine Schlüsselrolle spiele zudem eine nachhaltige Waldbewirtschaftung durch Bestandspflege zur Förderung der Baumartenvielfalt, der Strukturvielfalt, der genetischen Vielfalt und der Einzelbaumstabilität.
Wie Hahn berichtete, wurde von Seiten der Regierungsfraktionen angemerkt, dass es auch einige Maßnahmen zur Emissionsminderung im Bereich der Tierhaltung gäbe. Zudem müssten nach Aussagen des Ministeriums auch Änderungen in der Landnutzungskategorie bzw. Anpassungen der Bewirtschaftung berücksichtigt werden, so der Vorsitzende. Dazu zähle die Umwandlung von Acker- in Dauergrünland.
Einen weiteres Potenzial für Treibhausgasminderungen könnten Moorrenaturierungen und die Umstellung der Moornutzung bieten. „Dabei sei jedoch ein kooperativer Ansatz mit den Landbewirtschaftern erforderlich, um landwirtschaftlichen Betrieben Einkommensalternativen aufzuzeigen und sie nicht in ihrer Existenz zu gefährden“, stellte der Ausschussvorsitzende Martin Hahn klar. Das Land stelle daher unter anderem Mittel zum Ankauf von naturschutz- oder klimaschutzwichtigen Flächen zur Verfügung – in den Jahren 2020/2021 waren dies 2,4 Millionen Euro.