Öffentliche Anhörung im Landwirtschaftsausschuss
Sachverständige bewerten Forschungsstand bei Agri-Photovoltaik in Baden-Württemberg
Stuttgart. Der Ausschuss für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz hat in seiner Sitzung am Mittwoch, 26. April 2023, in einer Öffentlichen Anhörung Sachverständige zum Thema „Agri-Photovoltaik (APV) in Baden-Württemberg“ eingeladen. „Agri-Photovoltaik ist ein Thema, das sich für ein Land wie Baden-Württemberg sehr lohnen kann“, betonte der Ausschussvorsitzende Martin Hahn (Grüne) zu Beginn der Anhörung. „Wir sind als Land der Sonderkulturen vorneweg gegangen, jetzt müssen wir bei Fragen der Nutzung und Genehmigungsverfahren dafür sorgen, dass wir auch vorne bleiben.“
Die Expertenrunde eröffnete Oliver Hörnle vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE mit einem Überblick über die aktuell laufenden Pilotprojekte der Modellregion Agri-PV Baden-Württemberg. Hörnle umriss die Synergieeffekte bei der doppelten Flächennutzung und beschrieb Agri-PV als Maßnahme zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Albrecht Kümmel, Referatsleiter im Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz stellte den gegenwärtigen Stand der Modellregion aus Ministeriumssicht dar. Dr. Dominik Modrzejewski vertrat den Landesbauernverband und den Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband und betonte in seinem Vortrag die Notwendigkeit, dem Interesse von Grundstückseigentümern an Agri-PV nachzukommen und gleichzeitig Landwirte und Pächter vor Flächenverlusten zu schützen. Obstbauer Hubert Bernhard aus Kressbronn im Bodenseekreis und Dr. Ulrich Mayr vom Kompetenzzentrum Obstbau stellten den Abgeordneten die Möglichkeiten einer doppelten Landnutzung mit Agri-PV im Obstbau anhand eigener Modellanlagen vor. Nach ersten Erfahrungen sei die Schutzwirkung der Photovoltaik-Anlagen vor äußeren Witterungseinflüssen bei gleichbleibendem Ertrag hervorzuheben.
Thomas Franke und Martin Hibsch, Geschäftsführer von AgriPV-Solutions, präsentierten ihr Forschungsprojekt zur Agri-Photovoltaik im bestehenden Weinbau in Geisenheim (Hessen). Auf den Beitrag von Markus Haastert von AgroSolar Europe, der zum Thema Agri-PV nochmals auf den Vorrang der landwirtschaftlichen Produktion vor der Energiegewinnung verwies, folgte eine Frage- und Antwortrunde mit den Ausschussmitgliedern. Fraktionsübergreifend erkundigten sich die Gremiumsmitglieder insbesondere nach den aktuellen bürokratischen Hürden und baurechtlichen Vorgaben bei Agri-PV-Anlagen. Auch die nötige Subventionierung und Beratungsangebote, um von den Modellprojekten in die breite landwirtschaftliche Praxis zu kommen, wurden thematisiert.
Im daran anschließenden nicht öffentlichen Sitzungsteil befasste sich der Ausschuss auf Antrag der Grünen-Fraktion weiter mit Agri-Photovoltaik, wie Martin Hahn berichtete. Die Antragsteller hätten von Landwirtschafts- und Umweltministerium wissen wollen, inwieweit die Pilotprojekte der Modellregion Agri-Photovoltaik in Baden-Württemberg seit Projektbeginn 2021 bereits umgesetzt seien, wie die finanzielle Förderung hier aussehe und wie sich Genehmigungsverfahren für eine Agri-PV-Anlage in Baden-Württemberg vereinfachen ließen. Im Jahr 2021 seien vom Landwirtschaftsministerium drei Projekte mit einer Laufzeit bis 2024 und einem Volumen von insgesamt 1,37 Mio. Euro bewilligt worden. Das Umweltministerium fördere zwei Projekte sowie die Begleitung des Forschungsvorhabens durch das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) mit bis zu 1,1 Mio. Euro. 2022 seien vom Landwirtschaftsministerium sechs weitere Projekte mit unterschiedlichen Laufzeiten und einem Volumen von insgesamt 2,26 Mio. Euro bewilligt worden, gab Hahn die Ausführungen vonseiten der Ministerien wieder. Im Jahr 2023 seien mehrere Pilotprojekte vorgesehen und in Planung, unter anderem eine Anlage über einem Legehennenauslauf.
Agri-PV-Anlagen bedürften als bauliche Anlagen grundsätzlich einer Baugenehmigung. Im Rahmen der letzten Änderung der Landesbauordnung zum 11. Februar 2023 sei für alle Freiflächensolaranlagen das Kenntnisgabeverfahren ermöglicht worden, soweit die Anlage im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplans liege, berichtete Hahn weiter. Damit könne das baurechtliche Verfahren in vielen Fällen deutlich beschleunigt werden. Flächen mit Agri-PV-Anlagen würden förderrechtlich unter bestimmten Bedingungen weiterhin als hauptsächlich landwirtschaftlich genutzt gelten. „Agri-Photovoltaik ist insgesamt eine große Chance für unser Land, das mit Innovation und Zukunftsfähigkeit in Verbindung gebracht wird,“ betonte Ausschussvorsitzender Martin Hahn und bedankte sich abschließend noch einmal ausdrücklich bei der Expertenrunde.