Öffentliche Anhörung im Wirtschaftsausschuss
Kritik und Lob für SPD-Gesetzentwurf zur Änderung des Tariftreue- und Mindestlohngesetzes
Stuttgart. In öffentlicher Anhörung hat sich der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus in seiner Sitzung am Montag, 30. Januar 2023, mit dem Gesetzentwurf der SPD zur Änderung des Tariftreue- und Mindestlohngesetzes für öffentliche Aufträge in Baden-Württemberg befasst. Sachverständige aus Unternehmer- und Kommunalverbänden sowie Gewerkschaften waren dazu eingeladen. Nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Dr. Erik Schweickert (FDP/DVP) gab es Kritik und Lob für die Pläne der SPD.
Nach dem Gesetzesvorhaben der SPD sollen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge „Tariftreue und ordentliche Bezahlung noch stärker gewichtet werden“. So soll ein vergabespezifischer Mindestlohn festgelegt werden, der sich am Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) orientiert und folglich den gesetzlichen Mindestlohn von derzeit zwölf Euro übersteigt. Zudem sollen sich bei der Vergabe öffentlicher Aufträge auch nicht tarifgebundene Unternehmen an Tarifverträge halten müssen, wenn sie Auftragnehmer werden.
Luisa Pauge, Dezernentin des Gemeindetags Baden-Württemberg, die in der Anhörung auch für den Städtetag und den Landkreistag sprach, kritisierte, die neuen Regeln würden Vergaben komplizierter machen, so dass mit weniger Angeboten und damit weniger Möglichkeiten zu rechnen sei, Aufträge zu erteilen. Weiter sei zu befürchten, dass der Gesetzentwurf höhere Preise nach sich ziehen würde, so dass sich die finanzielle Überforderung der Kommunen weiter verschärfen würde.
Die Sachverständigen der Gewerkschaften lobten die Initiative der SPD. Sie könne ein wirksames Mittel gegen die grassierende Tarifflucht sein, erklärte der DGB-Landeschef Kai Burmeister. Derzeit seien nur noch zwei von zehn Beschäftigten durch Tarifverträge geschützt. Eine Novelle des Landestariftreue- und Mindestlohngesetzes von 2013 könne insofern wie von der SPD geplant für mehr soziale Sicherheit und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt sorgen. Verdi-Landeschef Martin Gross sagte, bei öffentlichen Vergaben dürfe es keinen Preiswettbewerb zu Lasten der Beschäftigten geben. Dies liege auch im Interesse der öffentlichen Hand, da Qualität zu Dumpingpreisen nicht zu haben sei. Ähnlich äußerte sich die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt.
Dagegen nannte Holger Triebsch, Abteilungsleiter der IHK Region Stuttgart, den Gesetzentwurf verfehlt. Er schade erheblich dem Ziel des Vergaberechts, für mehr Wettbewerb zu sorgen, verursache bürokratischen Mehraufwand bei Unternehmen und mache Vergaben für den Steuerzahler insgesamt teurer. Holger Braun, stellvertretender Hauptgeschäftsführer Bauwirtschaft Baden-Württemberg, erklärte, die Vergabestellen öffentlicher Auftraggeber hissten heute schon die weiße Flagge, weil das Vergaberecht zu kompliziert sei. Einen allgemeinen Mindestlohn gebe es schon. Käme nun ein weiterer vergabespezifischer Mindestlohn, würde die Lage noch unübersichtlicher. Ähnlich äußerten sich weitere Vertreterinnen und Vertreter des Verbands Unternehmer Baden-Württemberg, des Verbands Baden-Württembergischer Omnibusunternehmen WBO, des Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA Baden-Württemberg, des Verbands Die Familienunternehmer Baden-Württemberg sowie des Wirtschaftsverbands Industrieller Unternehmer Baden wvib.