55 Jahre Verfassung des Landes Württemberg-Baden
Landtagspräsident Straub: “Urdokument politischer Kultur” Stuttgart. Mit Blick auf den 50. Geburtstag Baden-Württembergs im kommenden Jahr hat Landtagspräsident Peter Straub (CDU) am Montag, 26. November 2001, in Stuttgart daran erinnert, dass die erste und wichtigste Nachkriegsverfassung in Südwestdeutschland, d. h. die Verfassung für Württemberg-Baden, vor 55 Jahren, am 28. November 1946, in Kraft getreten ist. “Hinsichtlich der Geschichte unserer parlamentarischen Demokratie und deren Zukunft ist es mir ein wesentli-ches Anliegen, auf die große und wirkungsvolle Bedeutung der Landesverfassung von Württemberg-Baden vom 28. November 1946 als ein Urdokument politischer Kultur hinzuweisen” sagte Straub. Wie der Landtags-präsident weiter erläuterte, hatte die Verfassunggebende Landesversammlung von Württemberg-Baden in ihrer 14. Sitzung am 24. Oktober 1946 diese Verfassung als "Grundgesetz des Landes Württemberg-Baden" be-schlossen. Mit der Wahl zum 1. Landtag von Württemberg-Baden am 24. November 1946 stimmte die Wähler-schaft dieses Landes dem Verfassungsentwurf mit großer Mehrheit zu. Die am 28. November 1946 verkündete und in Kraft getretene württemberg-badische Landesverfassung trug die Unterschriften von Ministerpräsident Reinhold Maier, seines Stellvertreters Heinrich Köhler, des Justizministers Josef Beyerle, des Kultministers Theodor Heuss sowie der weiteren Kabinettsmitglieder. Die Verfassungsberatungen fanden in Stuttgart im Festsaal des Furtbachhauses statt. Der Verfassungsentwurf stammte im wesentlichen von Carlo Schmid, der damals eine völlig ungewöhnliche Doppelrolle inne hatte. Als provisorischer Regierungschef des französisch besetzten südlichen Württemberg-Hohenzollern mit dem Titel Präsident des Staatssekretariats war er gleich-zeitig vom württemberg-badischen Ministerpräsidenten Reinhold Maier zum Staatsrat in dessen Landesregie-rung mit der Maßgabe, die Landesverfassung auszuarbeiten, berufen worden. Am 19. September 1945 war auf Befehl von US-Militärgouverneur General Dwight D. Eisenhower das Land Württemberg-Baden innerhalb der amerikanischen Besatzungszone Deutschlands gebildet worden. Wegen der von den drei großen alliierten Siegermächten Frankreich im Nachhinein zugestandenen vierten Besatzungszo-ne in Deutschland konnte die seit Ende 1944 von der US-Regierung geplante Schaffung eines größeren Lan-des in Südwestdeutschland im Umfang des heutigen Baden-Württemberg zunächst nicht verwirklicht werden. In der Verfassung von Württemberg-Baden wurde auf Initiative von Carlo Schmid erstmals das "Konstruktive Mißtrauensvotum (Art. 73 LV)" verankert. Diese Verfassungskonstruktion geht auf Überlegungen des Heidel-berger Verfassungsrechtlers Gerhard Anschütz zurück. Geheimrat Prof. Gerhard Anschütz, dem an der Sanie-rung der preußischen Landesverfassung und der Weimarer Reichsverfassung gelegen war, folgte dem Ruf von Reinhold Maier, als Wissenschaftlicher Sachverständiger im Ausschuss zur Erarbeitung der Landesverfassung mitzuwirken, ebenso der legendäre Stuttgarter Generalstaatsanwalt Richard Schmid. Aus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland ergibt sich die hohe Bedeutung des Konstruktiven Mißtauensvotums als Verfas-sungsmaxime, die Carlo Schmid über Württemberg-Baden hinaus 1947 in die Landesverfassung von Württem-berg-Hohenzollern (dort Artikel 51 LV und somit indirekt als Artikel 80 in der gleichzeitig verabschiedeten Lan-desverfassung von Süd-Baden) als auch 1949 in das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in Form des Artikels 67 GG eingebracht hatte. “Von zukunftsweisender Wirkung”, erklärte der Landtagspräsdient, “sollte sich auch Artikel 107 der württem-berg-badischen Landesverfassung erweisen, der die Unauflöslichkeit dieses neugebildeten Landes festschrieb, es sei denn, dass sich ein politischer Weg für den größeren Südweststaat Baden-Württemberg fände.” Die Wiederherstellung der alten Länder Baden und Württemberg - wegen der einst preussischen Hohenzollerischen Lande zusätzlich fragwürdig - sei damit ausgeschlossen worden. Ebenso habe sich das württemberg-badische Wahlgesetz mit der Festschreibung der Fünf-Prozent-Klausel für die Wahlen im Nachkriegsdeutschland und in der Bundesrepublik Deutschland als äußerst wirkungsvoll erweisen, so Straub abschließend.