Einigkeit beim Thema Bürokratieabbau, aber Differenzen bei der Verkehrswende

Stuttgart. Der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus hat sich in seiner Sitzung am Mittwoch, 18. Januar 2023, unter anderem mit dem Bürokratieaufwand und möglichen Erleichterungen beim Amtlichen Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen (AVPQ) beschäftigt. Weitere Themen waren nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Dr. Erik Schweickert (FDP/DVP) die Erreichbarkeit von Einzelhandel, Gastronomie und Kultureinrichtungen in den Städten des Landes sowie die aktuelle Ausbildungs- und Fachkräftesituation in Gastgewerbe und Tourismus.   

Mit dem Bürokratieaufwand und möglichen Erleichterungen beim Amtlichen Verzeichnis präqualifizierter Unternehmen (AVPQ) befasste sich der Ausschuss auf Antrag der FDP/DVP. Das AVPQ bietet Unternehmen, die öffentliche Aufträge erhalten möchten, die Möglichkeit, verschiedene Eignungsnachweise gegen eine Gebühr zentral zu hinterlegen. Unternehmen, die das Verzeichnis nutzen, sind nicht mehr gezwungen, die gewünschten Eignungsnachweise bei jeder Ausschreibung neu zusammenzustellen und können einfach auf ihren AVPQ-Eintrag verweisen. Die Liberalen hatten dazu einen umfangreichen Fragenkatalog an die Landesregierung gerichtet und sich dabei auf Erleichterungen für Unternehmen konzentriert, die sich ins AVPQ einschreiben wollen oder bereits eingeschrieben sind. 

Das Wirtschaftsministerium deutet in seiner Antwort im Einvernehmen mit weiteren Ministerien an, dass Erleichterungen im Sinne eines wünschenswerten Abbaus von Bürokratie denkbar wären. Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut bekräftigte dies nach Angaben des Ausschussvorsitzenden in der Sitzung. Man könne darüber sprechen, ein Änderungsverfahren umzusetzen mit dem Ziel, dass jährlich nicht alle Unterlagen neu einzureichen seien, sondern lediglich solche, bei denen sich eine Änderung ergeben habe. Zugleich habe die Ministerin erklärt, dass das Land an Vorgaben der EU und des Bundes gebunden bleibe, so Dr. Schweickert. Wie das Ministerium mitteilte, sei es aufgrund europarechtlicher Vorgaben beispielsweise nicht möglich, die Zahl der für das AVPQ benötigten Einzelnachweise zu verringern. Aktuell sind nach Angaben des Ministeriums 324 Unternehmen im AVPQ für Baden-Württemberg, das von der IHK Region Stuttgart verwaltet wird, eingetragen. Darunter sind allein 35 Ausrüster für Bürobedarf und 27 Entsorgungsdienstleister. Vertreter von FDP/DVP, Grünen und CDU begrüßten laut Dr. Schweickert die Bereitschaft des Ministeriums, im Sinne eines Bürokratieabbaus tätig zu werden. Die Liberalen hätten erklärt, man könne den Unternehmen durchaus mehr Vertrauen die Richtigkeit von Eignungsnachweisen betreffend entgegenbringen. 

Mit der Erreichbarkeit von Einzelhandel, Gastronomie und Kultureinrichtungen in Innenstadtlagen beschäftigte sich der Ausschuss ebenfalls auf Antrag der FDP/DVP. Die Liberalen wollten insbesondere wissen, wie der von der Regierung geprägte Begriff „Verkehrswende“ im Hinblick auf die Erreichbarkeit von Stadtzentren zu verstehen sei. Dafür bleibe nach Überzeugung von Innenstadtakteuren die auto-gestützte Mobilität von Bedeutung, so die FDP/DVP. Dies gelte vor allem für Innenstadtlagen von kleineren Kommunen.   
In der Antwort des Verkehrsministeriums, das federführend für die Landesregierung auf den Antrag reagierte, heißt es, die Verkehrswende solle helfen, bestehende Defizite der Erreichbarkeit von kommunalen Zentren insbesondere für Nutzerinnen und Nutzer von Verkehrsmitteln des sogenannten Umweltverbunds – zu Fuß gehen, Fahrrad und ÖPNV -  zu reduzieren und die Verkehrsträger somit attraktiver zu machen. So solle die geplante Mobilitätsgarantie für ein verlässliches Angebot im Öffentlichen Personennahverkehr von 5 bis 24 Uhr in der Stadt wie auf dem Land sorgen, den ÖPNV als Angebot aufwerten und damit einen deutlichen Anreiz zum Umstieg vom Auto auf Bus und Bahn setzen.  

Nach Angaben des Ausschussvorsitzenden Dr. Schweickert bekannten sich in der Sitzung alle Fraktionen zu dem Ziel, die von der Pandemie gebeutelten Innenstädte durch eine gute Erreichbarkeit zu stärken. Die Grünen hätten davor gewarnt, Verkehrsträger gegeneinander auszuspielen. Es gehe bei der Verkehrswende um die Freiheit, nicht aufs Auto angewiesen zu sein. Die CDU habe erklärt, das Auto bleibe wichtig, so lange der ÖPNV in der Fläche noch kein adäquater Ersatz sei. Daran arbeite man. Die AfD habe geäußert, kleinere Städte seien weiterhin nur mit dem Auto bequem zu erreichen, so Dr. Schweickert.

Dabei traten auch Differenzen zwischen den Fachministerien zutage. Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut machte sich den Begriff Verkehrswende in der Sitzung nach den Worten des Ausschussvorsitzenden im Gegensatz zum anwesenden Vertreter des Verkehrsministeriums explizit nicht zu eigen. Ihr Haus strebe eine Aufwertung der Innenstädte beispielsweise durch die gezielte Förderung von Einzelhändlern an, die mit besonderen Angeboten locken, habe die Ministerin erklärt. Die SPD habe in diesem Zusammenhang angemahnt, von entsprechenden Fördermitteln müssten alle Landesteile profitieren, so Dr. Schweickert.   

Ein weiteres Thema im Ausschuss war nach Angaben des Vorsitzenden die Ausbildungs- und Fachkräftesituation in Gastgewerbe, Hotellerie und Tourismus. Damit befasste sich das Gremium auf Antrag der Grünen. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums nahmen sowohl die Anzahl der Auszubildenden als auch der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den Tourismus-, Hotel- und Gaststättenberufen sowie in der Speisenzubereitung in den Jahren 2015 bis 2021 kontinuierlich ab, während in den Berichtsjahren 2017 und 2018 eine leichte Zunahme der Auszubildenden und neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge insgesamt zu verzeichnen war. 

Für die kommenden Jahre sei damit zu rechnen, dass ein großer Teil der Ausbildungsplätze nicht besetzt werden könne, so das Ministerium. Dies gelte sowohl für das Gastgewerbe und den Tourismus wie auch für andere Branchen. Im letzten Berichtsmonat August 2022 seien beispielsweise in der Hotellerie 1.150 Ausbildungsstellen gemeldet worden. Davon seien 503 unbesetzt geblieben. In der Speisenzubereitung seien von 1.344 Ausbildungsstellen 593 nicht zu besetzen gewesen. Allerdings berichtete die Ministerin in der Sitzung nach Angaben des Ausschussvorsitzenden von einem aktuellen Lichtblick – demnach gebe es aktuell ein Plus von 23 Prozent bei Auszubildenden in der Tourismusbranche.

Laut Dr. Schweickert lobten Grüne und CDU die Anstrengungen des Ministeriums, das mit zahlreichen eigenen Initiativen gegen den Nachwuchsmangel auch im Gastgewerbe und im Tourismus tätig sei. SPD und AfD hätten die hohe Vertragsauflösungsquote von rund 50 Prozent bei Ausbildungen in der Gastronomie thematisiert. Die SPD habe geäußert, dies könne auch an schlechten Arbeitsbedingungen liegen.

Zudem befasste sich der Ausschuss auf Antrag der SPD mit den Folgen des Engagements des Landes auf der Weltausstellung Expo in Dubai. Die SPD wollte unter anderem wissen, wie sich der Stand des Verfahrens zur Geltendmachung von möglichen Schadensersatzansprüchen des Landes gegenüber Dritten im Zusammenhang mit Bau und Betrieb des Baden-Württemberg-Pavillons auf der Expo darstellt. Laut Dr. Schweickert zeigte sich die SPD verwundert über die kurz vor Weihnachten bekannt gewordene Klage des Wirtschaftsministeriums gegen die drei Expo-Projektpartner aus der Wirtschaft. Der Klageweg spreche klar gegen die vom Ministerium geäußerte Hoffnung, sich weiterhin außergerichtlich einigen zu können. Die Wirtschaftsministerin erklärte dazu in der Sitzung, die Klage sei notwendig gewesen, um Ansprüche des Landes zu wahren. Zum Jahresende habe eine Verjährung gedroht.

Der Ausschussvorsitzende Dr. Schweickert kritisierte, dass der Wirtschaftsausschuss nicht vorab vom Ministerium über die Klage unterrichtet wurde. Es dürfe nicht sein, dass der Landtag davon erst aus der Presse erfahre.