Grußwort von Landtagsvizepräsident Birzele beim 50-jährigen Jubiläum des Beamtenbundes
Es gilt das gesprochene Wort! Stuttgart. Bei der Feier zum 50-jährigen Bestehen des Beamtenbundes Baden-Württemberg (BBW) am Donnerstag, 3. April 2003, im Weißen Saal des Stuttgarter Neuen Schlosses sprach Landtagsvizepräsident Frieder Birzele folgendes Grußwort: >>Lassen Sie mich zunächst einen kurzen Blick auf die Entwicklung des Beamtentums im letzten Jahrhundert werfen: 1918, 1933,1945 – diese drei Jahreszahlen beschreiben hinreichend, warum das Berufsbeamtentum vor fünfzig Jahren in einer tiefen Krise steckte, warum es um seine politische und gesellschaftliche Akzeptanz ebenso ringen musste wie um seine materielle Absicherung und seine innere Selbstgewissheit. Die Beamten lebten in der Sorge, zu Staatsbürgern zweiter Klasse zu werden. Gebhard Müller benannte in einer Rede 1950 – also noch als Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollern – besonders klar den Kern dieser historischen Herausforderung, indem er sagte: „Dass das Beamtentum, um als demokratische Einrichtung wirksam zu werden, wie jede Institution mit dem entsprechenden Geiste erfüllt werden muss, ist selbstverständlich. Es ist nichts Anderes als mit dem Wesen von Verfassungen.“ Heute können wir konstatieren: Das Beamtentum hat zu einem zutiefst demokratischen, neuzeitlichen Amtsethos gefunden – zu einem Amtsethos, das Rechtstreue, Loyalität, Offenheit und persönliche Verantwortung ausbalanciert und vereint. Und das allgemeine Verständnis vom Beamtentum wird nicht mehr geprägt von der – den Obrigkeitsstaat prolongierenden - Rechtsdefinition als „besonderes Gewaltverhältnis“. Der Beamtenbund Baden-Württemberg und seine Fachverbände haben diesen fundamentalen und epochalen Wandel im Geiste einer naturgemäß spezifischen Sozialpartnerschaft konkret mitgestaltet – und zwar nicht nur soweit es um Dienstrechts-, Besoldungs- oder Versorgungsfragen ging, sondern auch, wenn Grundsätzliches zu klären war. Der BBW musste dabei interessenorientiert, unbequem und streitbar agieren. Die Strategien des BBW waren freilich auch immer geleitet vom Gedanken der Kooperation und vom Wissen, dass beide Seiten letztlich im selben Boot sitzen. Für dieses gewerkschaftliche Wirken und für die bewiesene unerlässliche Kompromissfähigkeit und Kooperationsbereitschaft hat gerade der Landtag dem BBW Dank und Anerkennung zu zollen. Und ich freue mich sehr, dass ich diese Wertschätzung namens des Landesparlaments von dieser Stelle aus bekunden darf. Jubiläen dienen ja auch dazu, Konstanten herauszuarbeiten, die einen wegweisenden Bogen schlagen von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft. Am heutigen Tag sollte deshalb gewürdigt werden, dass sich unsere Gesellschaftsordnung auf dem funktionierenden Zusammenspiel von zwei unterschiedlich geprägten Komponenten gründet und weiterhin gründen wird: einerseits der Marktwirtschaft und andererseits des öffentlichen, demokratisch bestimmten und kontrollierten Sektors. Sicherheit und Ordnung, Bildung, Verlässlichkeit der Verwaltung, eine funktionierende öffentliche Infrastruktur sind Staatsziele - und keine nach Profitgesichtspunkten reproduzierbaren Wirtschaftsgüter. Daran ändern auch das „New Public Management“ und seine vermeintliche Schwerelosigkeit nichts. Das Sparen öffentlicher Mittel durch Privatisierung und Controlling hat Grenzen und verursacht zudem überraschend hohe Kosten – wie wir in Baden-Württemberg derzeit erfahren. Natürlich ist es notwendig, dass der Staat manche Bereiche an die Gesellschaft und die Wirtschaft zurückdelegiert und auf anderen Feldern vom Akteur zum Förderer wird. Diese Schlankheitskur darf jedoch nicht in einer liberalistischen Magersucht enden. Jede Erneuerung des öffentlichen Sektors erfordert zweierlei: • eine schlüssige Idee vom Staat und seiner Rolle in der Gesellschaft • und das Bewusstsein, dass sich nicht alle Werte unseres Lebens durch betriebswirtschaftliche Kennzahlen zutreffend erfassen lassen. Niemand kann ernsthaft bestreiten: Ein moderner Staat braucht einen modernen öffentlichen Dienst, der leistungsstark ist, der zeitgemäße Arbeitsbedingungen bietet und der im Wettbewerb um hoch qualifizierte Nachwuchskräfte mithalten kann. Auch hier gilt jedoch für die notwendigen Reformanstrengungen: Bewährte Grundstrukturen dürfen nicht unüberlegt zu Auslaufmodellen erklärt werden. Modernisieren ist entschlossenes Weiterentwickeln, um das Substantielle zu erhalten. Es geht darum, den öffentlichen Dienst so aufzustellen, wie wir ihn zur Erledigung der Aufgaben des Staates und zur Unterstützung vitaler Funktionen in den vielfältigsten Bereichen unserer Gesellschaft haben müssen. Gefragt ist also die Bereitschaft, zukunftsfeste Veränderungen innerhalb des Systems herbeizuführen. Das schlechteste Mittel dafür sind gewiss Diktate der Gesetzgeber, notwendig ist vielmehr Kooperationsbereitschaft auf beiden Seiten. Mehr denn je müssen deswegen Gewerkschaften und Berufsverbände eigene innovative Beiträge leisten. Aus der Sicht des Landtags von Baden-Württemberg gehört der Beamtenbund Baden-Württemberg - selbstredend – zu den Ersten, auf die es dabei ankommt. Und das bedeutet, mein wichtigster Wunsch am heutigen Jubiläum lautet ganz einfach: Möge das erwiesenermaßen ertragreiche Spannungsverhältnis zwischen dem BBW und dem Landtag unverändert - und vor allem in der nächsten Zeit - viele Früchte tragen!