Präsidentin Aras: „Werte und Normen unseres Grundgesetzes sind die historischen Lehren aus dem Zivilisationsbruch“
Stuttgart – Der Landtag von Baden-Württemberg erinnerte am heutigen Mittwoch, 27. Januar 2021, mit einer digitalen Gedenkfeier an die Opfer des Nationalsozialismus. „Der diesjährige Gedenktag ist anders. Aufgrund der Pandemie sind wir an verschiedenen Orten. Aber unsere Gedanken sind gemeinsam bei denjenigen, die dem Terror der NS-Herrschaft zum Opfer fielen“, sagte Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) in ihrer Gedenkrede, die online ausgestrahlt wurde. „Gedenken heißt, das große Bild in den Blick zu nehmen“, betonte Aras. „Die Werte und Normen unseres Grundgesetzes sind in vielerlei Hinsicht historische Lehren aus dem Zivilisationsbruch der Nazis.“
Der Landtag stellt jährlich wechselnd eine Opfergruppe in den Fokus. In diesem Jahr sind es die Zeugen Jehovas, die aufgrund ihres Glaubens verfolgt wurden. „Unsere Gedanken sind bei denjenigen, denen die menschenverachtende völkische Ideologie die Menschenwürde absprach, weil sie eine andere Herkunft hatten, anders glaubten, lebten, dachten oder liebten. Unsere Gedanken sind bei denjenigen, die sich wehrten gegen den Zivilisationsbruch der Täter und der Mitläufer“, so die Landtagspräsidentin. Aras berichtete von der Schülerin Anna Denz aus Lörrach, die sich dem Nationalsozialismus nicht beugen wollte. Anna Denz hatte den Mut, sich zu widersetzen. Sie schöpfte die Kraft dafür aus ihrem Glauben. Aras: „Anna Denz und ihre Eltern waren Zeugen Jehovas.“ Die Zeugen Jehovas haben den Nationalsozialismus konsequent abgelehnt. Ihre grundsätzliche Distanz gegenüber weltlicher Macht, vor allem aber ihr Postulat von der Gleichheit aller Menschen und ihr Pazifismus waren mit der Nazi-Diktatur nicht vereinbar. Sehr viele der etwa 25.000 Zeugen Jehovas im damaligen Deutschen Reich saßen daher – zumindest zeitweise – aufgrund ihres Glaubens in Haft.
„An der Organisation unseres Gedenktags sind Vertreterinnen und Vertreter aller Opfergruppen beteiligt. Jedes Gedenken bereiten wir gemeinsam vor. Ich danke allen Beteiligten für diese Zusammenarbeit“, so die Präsidentin. „Gedenken heißt, das große Bild in den Blick zu nehmen“, sagte die Landtagspräsidentin. „Die Werte und Normen unseres Grundgesetzes sind in vielerlei Hinsicht historische Lehren aus dem Zivilisationsbruch der Nazis.“ So garantiere unsere Verfassung in Artikel 4 eine weitgehende Religionsfreiheit und sie schreibe fest: „Niemand darf gegen seinen Willen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“ Muhterem Aras sieht das auch als Erbe der Männer und Frauen, die als Zeugen Jehovas jeden Kriegsdienst aus religiösen Gründen verweigerten. „Wenn wir unsere Grundwerte und die Prinzipien unseres Rechtsstaates verstehen und stärken wollen, müssen wir uns dieses Erbe bewusstmachen und die Geschichten der Opfer erzählen“, so Aras.
Zu Beginn der Gedenkfeier war zunächst ein musikalisches Intro von Anamaria Tesei, Marco Tesei und Aaron Weiss zu hören. Anschließend folgten die Gedenkrede von Landtagspräsidentin Muhterem Aras und das Grußwort von Wolfram Slupina, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Zeugen Jehovas. Den Fachvortrag mit dem Titel „Dann wäre der Krieg gleich zu Ende – die NS-Verfolgung der Zeugen Jehovas“ hielt der Historiker Dr. Hans Hesse. Es folgten ein Filmbeitrag von Mara und Finn Kemper über Simone Arnold Liebster und der musikalische Ausklang.
Am Morgen legten Landtagspräsidentin Muhterem Aras und Rami Suliman, Vorstand der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, am Mahnmal für die Verfolgten auf dem Karlsplatz einen Kranz nieder.
Die Inhalte der digitalen Gedenkstunde können in der Mediathek angeschaut werden unter:
https://www.landtag-bw.de/home/mediathek/videos.html(externer Link)