Stuttgarter Krawalle, Y. R. in Oppenau und antisemitische Gewalttat in Heidelberg
Stuttgart. Der Innenausschuss des Landtags hat sich in seiner Sitzung am Mittwoch, 23. September 2020, mit drei aktuellen Ermittlungsverfahren in Baden-Württemberg befasst. „Dazu berichtete Innenminister Thomas Strobl (CDU) dem Gremium über den aktuellen Stand der Aufarbeitung der Stuttgarter Krawallnacht, die Ermittlungen gegen Y. R in Oppenau und eine mutmaßliche gefährliche Körperverletzung gegen eine jüdische Person bei einer Feier der Burschenschaft Normannia in Heidelberg“, teilte der Ausschussvorsitzende Karl Klein (CDU) mit.
Im Fall Y. R. in Oppenau ist nach Angaben Kleins eine Anklageerhebung für Oktober 2020 zu erwarten. Der derzeitige Tatvorwurf laute räuberische Erpressung. Außerdem stehe der Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung im Raum, da der Verdächtige bei seiner Festnahme einen SEK-Beamten mit einem Beil verletzt habe. Der Tatverdächtige gelangte am 12. Juli 2020 in den Besitz von vier Polizeidienstwaffen, nachdem er die Beamten mit einer echt wirkenden Handfeuerwaffe bedroht habe. Wie die Ermittlungen ergeben hätten, habe es sich dabei um eine Schreckschusswaffe gehandelt. Eine Unterscheidung zu einer echten Schusswaffe sei den Einsatzkräften in der Situation nicht möglich gewesen. Bis zur Festnahme von Y. R. am 17. Juli seien insgesamt rund 2.650 Polizisten im Einsatz gewesen.
Bislang seien durch das Polizeipräsidium Offenburg und die Staatsanwaltschaft rund 350 Hinweise bearbeitet und 130 Vernehmungen durchgeführt worden. Der Tatverdächtige befinde sich weiterhin in Untersuchungshaft. In Abstimmung mit seinem Anwalt habe er bislang keine Einlassungen zur Tat gemacht, berichtete Karl Klein.
Außerdem befasste sich das Ausschuss mit Ermittlungen wegen einer gefährlichen Körperverletzung, die bei einer Feier der Burschenschaft Normannia in Heidelberg begangen worden sein soll. Nach Angaben Kleins wird derzeit durch das Polizeipräsidium Mannheim und die Staatsanwaltschaft Heidelberg ein Ermittlungsverfahren gegen acht Personen geführt. Diese stünden im Verdacht, einen 25-jährigen Mann körperlich misshandelt und antisemitisch beleidigt zu haben. Der Mann habe am 29. August 2020 eine Verbindungsfeier der Burschenschaft Normannia besucht. Auf eine Frage hin habe er erklärt, dass er jüdische Wurzeln habe. Kurz darauf sei er antisemitisch beleidigt, mit Münzen beworfen und mit Gürteln auf Beine und Rücken geschlagen worden.
Im Zuge der Ermittlungen seien 27 Teilnehmer der Feier bekannt geworden, von denen acht beschuldigt werden, an den Straftaten beteiligt gewesen zu sein. Am 2. September sei ein vom Amtsgericht Heidelberg erlassener Durchsuchungsbeschluss vollstreckt worden. Dabei seien umfassende Beweismittel sichergestellt worden. Im Jahr 2019 seien insgesamt 7.621 Fälle von gefährlicher Körperverletzung erfasst worden. Doch gerade dieser Fall sei aufgrund seines Hintergrundes und seiner Bedeutung für die Polizei Baden-Württemberg alles andere als gewöhnlich. Das Polizeipräsidium Mannheim setze daher über zehn Ermittler ein, sagte Karl Klein.
In diesem Zusammenhang habe Innenminister Strobl darauf hingewiesen, dass gemeinsam mit den Israelitischen Religionsgemeinschaften die Verteilung der vom Landtag zusätzlich bewilligten Mittel in Höhe von einer Million Euro im Jahr 2019 sowie weiterer 500.000 Euro für das Jahr 2020 zum besseren Schutz von jüdischen Einrichtungen geregelt worden sei. „Der Ausschuss war sich einig, dass jeder Form von Antisemitismus entschlossen entgegengetreten werden muss. Es werde alles darangesetzt, um die Sicherheit und das Sicherheitsgefühl der jüdischen Bürgerinnen und Bürger im Land zu stärken“, so Karl Klein.
Zudem befasste sich der Innenausschuss erneut mit den Ausschreitungen in der Stuttgarter Innenstadt. Mittlerweile bestehe gegen 88 Tatverdächtige ein konkreter Verdacht. Gegen fünf weitere Personen werde wegen Folgetaten wie Hehlerei ermittelt. Die Tatverdächtigen seien jung, meist männlich und kämen aus Stuttgart oder dem näheren Umland. 68 Prozent der Tatverdächtigen hätten die deutsche Staatsangehörigkeit, etwa drei Viertel der deutschen Tatverdächtigen hätten einen Migrationshintergrund. 72 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen seien bereits in der Vergangenheit durch Straftaten polizeilich in Erscheinung getreten. In über der Hälfte der Fälle habe die Polizei Haftbefehle erwirken können. 40 Prozent der 45 ausgestellten Haftbefehle seien derzeit in Vollzug. Die meisten der Inhaftierten befänden sich in Stuttgart-Stammheim. Die Tatvorwürfe seien Beleidigung, Körperverletzung, besonders schwerer Landfriedensbruch und versuchter Totschlag. Die Ermittler gingen derzeit nicht von geplanten oder organisiert ausgeübten Taten aus, so Klein.