Untersuchungsausschuss „FlowTex“ stellt Abschlussbericht vor
Vorsitzender Birzele: Arbeit war sehr erfolgreich Stuttgart. Den Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses „FlowTex“ hat am heutigen Dienstag, 29. November 2005, der Vorsitzende dieses Gremiums, der SPD-Abgeordnete Frieder Birzele, zusammen mit den Obleuten aller vier Fraktionen der Öffentlichkeit vorgestellt. Nach den Worten Birzeles arbeitete der Untersuchungsausschuss sehr erfolgsorientiert, zumal es gelungen sei, den Sachbericht zu diesem äußerst komplexen Untersuchungsgegenstand über die Fraktionsgrenzen hinweg einstimmig zu beschließen. Der gemeinsam festgestellte Sachverhalt sei somit die unstreitige Basis einer jeden Bewertung. Wie Birzele weiter ausführte, werden der Abschlussbericht und die darin enthaltene Beschlussempfehlung voraussichtlich am 15. Dezember 2005 vom Plenum abschließend beraten. Der Untersuchungsausschuss „FlowTex“ war am 07.März 2002 vom Landtag eingesetzt worden und hatte sich am 19. März 2002 konstituiert. Nach Angaben des Ausschussvorsitzenden umfasste der Untersuchungsauftrag einen Geschehensablauf von rund 15 Jahren. In insgesamt 48 Sitzungen habe der Untersuchungsausschuss versucht, insbesondere drei Sachverhaltskomplexe zu erhellen. Zum einen sei es um die Frage gegangen, wie es sich mit dem Raubüberfall im Jahre 1986 auf das Anwesen von Manfred Schmider verhalten habe und ob Schmider diese Straftat nur vorgetäuscht und selbst initiiert habe. Ferner habe den Ausschuss interessiert, weshalb das Ermittlungsverfahren gegen Schmider erst 1993 abgeschlossen und danach drei Mal, nämlich 1995, 1996 und 2000 wieder aufgenommen worden sei. Eine Verurteilung Schmiders hätte seine Kreditwürdigkeit bei den Banken beseitigt. Dieser Komplex sei im Sachbericht auf rund 100 Seiten dargestellt. „Wie ‚behandelten’ die zuständigen Finanzbehörden und Strafverfolgungsorgane im Rahmen von Betriebsprüfungen und nach Aufdeckung des größten Betrugsskandals in der deutschen Wirtschaftsgeschichte der Nachkriegszeit den Fall ‚FlowTex’ und die damit involvierten Personen um Manfred Schmider?“, dies war laut Birzele der zentrale Punkt des Untersuchungsauftrags. Der Untersuchungsausschuss habe zunächst zu klären versucht, was für die Finanzbeamten und für die in diesem Zusammenhang auch im Rahmen von anonymen Anzeigen beteiligten sonstigen Behörden bereits während der 1. Betriebsprüfung in den Jahren 1996/97 erkennbar gewesen sei. Danach sei untersucht worden, wie die 2. Betriebsprüfung im Jahr 1999 vonstatten gegangen sei, insbesondere was vor dieser 2. Prüfung den Finanzbehörden bekannt gewesen sei, welcher Umstand letztendlich zur Aufdeckung des Betrugssystems geführt habe und wie die Strafverfolgungsbehörden nach Entdeckung der Betrugstaten dieses Verfahren bearbeitet hätten. Schließlich sei zu klären gewesen, ob es im Rahmen des Strafverfahrens gegen die Hauptverantwortlichen eine so genannte „Stuttgarter Vereinbarung“ gegeben habe, die eine Strafmilderung dafür in Aussicht stellte, dass Beamte der Finanzbehörden nicht der Mitwisserschaft durch die Angeklagten bezichtigt werden. Ganz allgemein sei es in diesem Zusammenhang um die Frage gegangen, ob es auf Seiten der Finanz- oder Strafverfolgungsbehörden „schützende Hände“ der Landesregierung zugunsten der Hauptverantwortlichen des „FlowTex“-Betrugs gegeben habe. „Dieser Teil ist der eigentliche Kern des Sachberichts, er umfasst rund 400 Seiten. Dies entspricht rund der Hälfte des unstreitig festgestellten gesamten Sachverhalts“, erläuterte der Ausschussvorsitzende. Der dritte und letzte Komplex des Untersuchungsauftrags - im Sachbericht auf 200 Seiten dargestellt - betraf die Fragestellung, welche besonderen Kontakte und Verbindungen es von Mitgliedern der Landesregierungen seit 1991 mit den Beschuldig-ten der „FlowTex“-Verfahren gegeben hat. Hier, so Birzele, sei es unter anderem um eventuelle persönliche Kontakte und um mögliche Parteispenden oder sonstige Zuwendungen an die Mitglieder der Landesregierung, gegebenenfalls auch im Zusammenhang mit einer Behördenentscheidung, gegangen. „Bei dieser Beweiserhebung“, sagte der Ausschussvorsitzende, „kam praktisch im Wege eines Zufallsfundes bei einer ’FlowTex’-Tochterfirma die so genannte Umfrageaffäre ans Tageslicht, die im Frühsommer 2004 zu den Rücktritten von Wirtschaftsminister Dr. Walter Döring und Justizministerin Corinna Werwigk-Hertneck geführt hat“. Wegen der Aufklärung der „Umfrageaffäre“ habe sich die Arbeit des Untersuchungsausschusses in die Länge gezogen. Alle für den Untersuchungsausschuss relevanten Zeugen hätten wegen verschiedener anhängiger Ermittlungsverfahren ein Auskunftsverweigerungsrecht gehabt. Davon hätten fast alle Zeugen im Untersuchungsausschuss Gebrauch gemacht. „Eigentlich wollte der Untersuchungsausschuss den rechtskräftigen Abschluss der Ermittlungsverfahren abwarten“, hob Birzele hervor. Dies gelte insbesondere auch für die Person des Betriebsprüfers des „FlowTex“-Konzerns, gegen den eine Anklage beim Landgericht Mannheim zur Verhandlung anstehe. Die strafrechtliche Würdigung seines Verhaltens während der 1. Betriebsprüfung sei entscheidend dafür, ob die Insolvenzverwalter des „FlowTex“-Konzerns gegen das Land Haftungsansprüche erfolgreich durchsetzen könnten. Soweit in diesen Tagen über das Verfahren „Werwigk-Hertneck“ berichtet werde, stellte der Ausschussvorsitzende klar, sei zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft Stuttgart durch die Rücknahme ihrer Anklage beim Landgericht Stuttgart keineswegs den Tatvorwurf gegenüber der Ex-Justizministerin fallen gelassen habe. Vielmehr beruhe die Rücknahme der Anklage auf Signalen der Gegenseite, wonach der von der Staatsanwaltschaft Stuttgart von Anfang an angestrebte Strafbefehl nun doch akzeptiert werde. „Obwohl einige Strafverfahren noch nicht rechtskräftig entschieden sind, musste der Untersuchungsausschuss seinen Abschlussbericht bereits jetzt vorlegen, weil die Legislaturperiode abläuft und bis zu deren Ende alle parlamentarischen Gremien ihre Arbeit beendet haben müssen“, erklärte der Ausschussvorsitzende. Nach Aussagen Birzeles weist die Arbeit des Untersuchungsausschusses einige Rekorde auf: „Sowohl der Umfang des Untersuchungsauftrags als auch der vorgelegte Untersuchungsausschussbericht sprengen alles bisher Dagewesene“. Auch die Dauer von dreieinhalb Jahren sei für das Land Baden-Württemberg bisher einmalig. Darüber hinaus habe sich erstmals in der Geschichte von Baden-Württemberg ein Untersuchungsausschuss gezwungen gesehen, gegen einen Zeugen beim Amtsgericht Stuttgart den Erlass eines Ordnungsgeldes zu beantragen. Dieser Zeuge habe sich nämlich ohne Rechtsgrund geweigert, eine für den Untersuchungsauftrag erhebliche Frage zu beantworten. Das Amtsgericht Stuttgart habe daraufhin ein Ordnungsgeld in Höhe von 500 Euro festgesetzt. „Die Bewertung des Sachverhalts bleibt den einzelnen Fraktion vorbehalten. Sie ist im Abschlußbericht enthalten und wird Gegenstand einer Debatte in der Plenarsitzung am 15. Dezember 2005 sein“, so Birzele abschließend.