Ermittlungen des Untersuchungsausschusses „Rechtsterrorismus/NSU BW II“
Vermeintliche Rufnummer eines „Sauerland“-Terroristen erweist sich als Anschluss einer württembergischen Firma
Stuttgart. Der Untersuchungsausschuss „Das Unterstützerumfeld des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Baden-Württemberg und Fortsetzung der Aufarbeitung des Terroranschlags auf die Polizeibeamten M. K. und M. A. (Rechtsterrorismus/NSU BW II)“ hat Medienberichte sowie eine Zeugenaussage vor dem Untersuchungsausschuss zum Anlass genommen, vertieft zwei Telefonspuren nachzugehen, die zunächst auf Bezüge des Heilbronner Mordanschlags vom 25. April 2007 zur islamistischen Szene hinzudeuten schienen. „Die Nachforschungen haben ergeben, dass eine Verbindung zur sogenannten „Sauerland-Gruppe“ ausgeschlossen werden kann. Vielmehr war der betreffende Mobilfunkanschluss mit den Endziffern 1004 dem Außendienstmitarbeiter eines württembergischen Unternehmens zugewiesen“, teilte der Vorsitzende des Gremiums, der SPD-Abgeordnete Wolfgang Drexler MdL, am Dienstag, 19. Dezember 2017, mit.
Hintergrund für die Annahme möglicher Verbindungen zum militanten Islamismus war, dass in den zum Umfeld der Tat auf der Heilbronner Theresienwiese gehörenden Funkzellen unter anderem eine Mobilfunknummer mit den Endziffern 1004 eingebucht war, die im Verfahren gegen die sogenannte „Sauerland“-Gruppe festgestellt wurde. Eine andere Anschlussnummer mit den Endziffern 4185, die in einem baden-württembergischen Ermittlungsverfahren mit Islamismusbezug erfasst worden war, wurde wiederum aus den Tatortfunkzellen heraus angerufen.
In diesem Zusammenhang hatte ein am 22. September 2017 vor dem Untersuchungsausschuss vernommener Zeuge bekundet, die in die „Sauerland“-Ermittlungen weisende Rufnummer sei ihm aus seiner damaligen Dienstzeit als Zivilangestellter der US-Streitkräfte als Nummer von D.S. bekannt, der aufgrund seiner Mitgliedschaft in der „Sauerland“-Gruppe verurteilt worden war. Hierzu hatte ein in derselben Sitzung des Untersuchungsausschusses als Zeuge vernommener Kriminalbeamter des BKA berichtet, es sei ausweislich der angestellten polizeilichen Ermittlungen feststellbar, dass dieser Anschluss mit den Endziffern 1004 aktuell und rückwirkend bis 20. Dezember 2007 einem württembergischen Textilunternehmen in Ulm zugewiesen gewesen sei; den Anschlussinhaber zur Zeit der Tat vom 25. April 2007 in Heilbronn habe man nicht mehr erheben können. Dabei ließ es der Untersuchungsausschuss nicht bewenden und holte – nunmehr 10 Jahre nach dem Mordanschlag – eigenständig Auskünfte bei diesem Unternehmen ein. Diese erbrachten den Nachweis, dass der Anschluss bereits seit 22. November 2005 von der Firma genutzt wurde und im Jahr 2007 einem Außendienstmitarbeiter des Unternehmens zugewiesen war, dessen Außendienst-Gebiet unter anderem den Bereich Heilbronn umfasste. Vor diesem Hintergrund erschließen sich auch die vom besagten Kriminalbeamten geschilderten Verbindungskontakte dieser in Heilbronn eingebuchten Nummer zu einem weiteren Gewerbebetrieb im Raum Schwäbisch Hall. „Nach alledem ist geklärt, dass über die gegenständliche Rufnummer kein Bezug zur „Sauerland-Gruppe“ herzustellen ist“, sagte Drexler. Aus welchem Grund dieser Anschluss in den „Sauerland“-Ermittlungen erfasst worden war, konnte im Übrigen nicht mehr nachvollzogen werden; nach Auskunft des genannten Kriminalbeamten habe hier mittlerweile eine routinemäßige, an den entsprechenden Datenschutzvorgaben orientierte Aussonderung stattgefunden.
Was die weitere Telefonnummer mit den Endziffern 4185 betrifft, hat der am 22. September 2017 gehörte Kriminalbeamte des BKA ausgeführt, dass diese von einem Reisevermittler genutzt worden sei, der selbst nicht Beschuldigter dieses in Baden-Württemberg geführten – und seit längerem eingestellten – Ermittlungsverfahrens gewesen sei, sondern lediglich zu einem Beschuldigten Kontakt gehabt habe. Im Hinblick auf eine derartige Verbindung zu einem Reisebüro hätten sich keine Auffälligkeiten ergeben. Der Inhaber desjenigen Anschlusses wiederum, der am 25. April 2007 von Heilbronn aus die genannte Rufnummer anrief, sei nicht mehr festzustellen gewesen.
In seiner Sitzung am vergangenen Freitag befasste sich der Untersuchungsausschuss auch mit der weiteren Planung der Ausschussarbeit im kommenden Jahr und der noch anstehenden, abzuarbeitenden Themenkomplexe. Hierbei zeichnete sich ab, dass das Gremium beabsichtigt, die Beweisaufnahme vor der Sommerpause 2018 zu schließen und seinen Abschlussbericht noch bis Ende des Jahres 2018 dem Landtag vorzulegen. „Schwerpunkt des anstehenden Beweisprogramms ist – neben der Aufarbeitung noch offen gebliebener Fragen aus dem vorangegangenen Untersuchungsausschuss – die Frage möglicher Helferstrukturen des NSU in Baden-Württemberg als zentralem Untersuchungsgegenstand des laufenden Ausschusses. Zu diesem Zweck wird sich das Gremium insbesondere dem Netzwerk „Blood & Honour“, der rechten Musikszene und dem Thema V-Leute widmen“, so der Ausschussvorsitzende.
Der Untersuchungsausschuss hat des Weiteren gegen die in der Sitzung am 17. Juli vernommene Zeugin S. F. Strafanzeige wegen des Verdachts der Falschaussage erstattet. Dies gründet sich darauf, dass die Zeugin vor dem Untersuchungsausschuss bestritten hatte, an den rechten Szenepublikationen „Sonnenrad“ und „Der Weisse Wolf“ mitgearbeitet zu haben. Aus entsprechenden Ausgaben dieser Hefte, wie sie dem Untersuchungsausschuss vorliegen, ergeben sich jedoch deutliche Anhaltspunkte für das Gegenteil.
Gegen den Zeugen R. H. besteht ebenfalls der Verdacht der Falschaussage. Dieser hatte in der Ausschusssitzung am 22. September 2017 in Abrede gestellt, eine Besuchserlaubnis für den vormals in Untersuchungshaft sitzenden Neonazi J. W. beantragt zu haben. Hierzu liegt dem Untersuchungsausschuss mittlerweile jedoch ein entsprechender Antrag auf Erteilung einer solchen Erlaubnis vor, weshalb nunmehr beschlossen wurde, eine Strafanzeige auf den Weg zu bringen.
Im Ordnungsgeldverfahren betreffend die Rechtsanwältin R. L., die sich in der Sitzung des Untersuchungsausschusses am 20. März 2017 geweigert hatte, Personalien einer Kontaktperson zu nennen, hat zwischenzeitlich das Amtsgericht Stuttgart – auf Antrag des Untersuchungsausschusses – ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro – ersatzweise 20 Tage Ordnungshaft – festgesetzt, weil die Zeugnisverweigerung ohne gesetzlichen Grund erfolgt sei. Hiergegen wurde seitens Rechtsanwältin L. Beschwerde eingelegt, weshalb zunächst die Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes abzuwarten ist.