Öffentliche Anhörung im Umweltausschuss:
Sachverständige beurteilen neuen Gesetzentwurf zum Klimaschutzgesetz
Stuttgart. In einer Öffentlichen Anhörung hat der Ausschuss für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft am Dienstag, 24. Januar 2023, über das Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz beraten und Sachverständige aus Kommunalpolitik und Verbänden zu einer Stellungnahme eingeladen. „Das Klimaschutzgesetz ist ein maßgebliches Gesetz für unser Land“, sagte Vorsitzender Daniel Karrais (FDP/DVP) zu Beginn der Anhörung. „Im neuen Gesetzentwurf sind viele Ziele und Maßnahmen formuliert, die massive Eingriffe nach sich ziehen, daher ist es wichtig, dass wir uns intensiv mit diesem Entwurf beschäftigen.“
Die Vorsitzende des Klima-Sachverständigenrats, Maike Schmidt, forderte eine Fokussierung in der Klimadebatte und schnelles, wirkungsvolles Handeln, um Baden-Württemberg als lebenswertes Land und als Wirtschaftsstandort zu erhalten: „Das Ambitionsniveau der Ziele des Klimaschutzgesetzes ist der Situation angemessen – das politische Handeln ebenso wie das Verwaltungshandeln sind es nicht.“ Schmidt sieht die Erreichung der Ziele in Frage gestellt, da wesentliche konkrete Maßnahmen fehlten. Dr. Martin Pehnt, Mitglied des Klima-Sachverständigenrats, ergänzte mit Blick auf den Gebäude- und Wärmemarkt: „Das auf 2040 vorgezogene Klimaneutralitätsziel erfordert wirkmächtige Instrumente, die im Klimaschutzgesetz und im Klima-Maßnahmen-Register bislang fehlen.“
Für die kommunale Seite sprach zunächst Steffen Jäger, Präsident des baden-württembergischen Gemeindetags: „Wir unterstützen die Zielstellung des Gesetzentwurfs ausdrücklich und begrüßen die Weiterentwicklung zum Klimawandelanpassungsgesetz.“ Er verwies ebenso wie Nathalie Münz vom baden-württembergischen Landkreistag auf die schriftlichen Stellungnahmen von Gemeinde- bzw. Landkreistag zum Gesetzentwurf. Vonseiten des Landkreistags wurde zudem eine Präzisierung der Erwartungen und Adressaten des Klima-Maßnahmen-Registers gefordert. „Wenn die kommunale Seite betroffen ist, müssen wir frühzeitig beteiligt und eng miteinbezogen werden“, so Münz. Dr. Susanne Nusser vom baden-württembergischen Städtetag betonte diesbezüglich: „Die allermeisten Maßnahmen werden in und durch die Kommunen durchgesetzt werden müssen.“ Die Städte im Land seien nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung und wollten Klimaschutz aktiv mitgestalten. Die kommunale Seite hob stark hervor, dass die zusätzlichen Aufgaben entsprechend finanziell durch das Land hinterlegt sein müssten. „Die Konnexität ist klar gegeben“, brachte es Nathalie Münz auf den Punkt.
Die Landesvorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Sylvia Pilarsky-Grosch, appellierte, statt der bisherigen zwei mindestens drei Prozent der Landesfläche für Windenergie und Photovoltaik-Freiflächenanlagen zu veranschlagen und Klimaschutz als kommunale Aufgabe im Klimaschutzgesetz stärker festzuschreiben. „Die Wärmewende ist noch einmal deutlich komplexer als die Stromwende mit regional sehr unterschiedlichen Wärmequellen und -bedarfen“, so Pilarsky-Grosch weiter. Torsten Höck, Geschäftsführer des Verbands für Energie- und Wasserwirtschaft Baden-Württemberg (VfEW), begrüßte in seinem Vortrag, dass neben erneuerbaren Energien auch der Ausbau der Verteilnetze mitfokussiert werde und blickte auf das kommende Jahr: „Wir werden im nächsten Jahr einen Photovoltaik-Boom erleben.“ Er unterstrich außerdem, dass die Sektorziele als Richtgrößen gesehen werden könnten, jedoch eine Verbindlichkeit nicht zielführend sei. „Im Energiesektor haben wir einen klaren Pfad zur Zielerreichung“, hob Höck hervor. Jörg Knapp vom Fachverband Sanitär-Heizung-Klima Baden-Württemberg mahnte vor dem Gremium, die geplanten gesetzlichen Regelungen offen zu formulieren, um Bürgerinnen und Bürgern Wahlmöglichkeiten zu geben und Frustrationen zu vermeiden: „Gerade bei dem geplanten Wärmenetzausbau ist es zwingend erforderlich, dass das gemeinsam mit den Menschen vor Ort passiert.“ Knapp betonte stellvertretend für das gesamte Handwerk, dass es dringend Fachkräfte brauche, die die Maßnahmen auch umsetzen können. „Es stellt sich außerdem die Frage, wie man das alles bezahlen soll. Für Einfamilienhäuser bedeutet das einen Invest von 40.000 bis 80.000 Euro. Das müssen Sie erstmal bringen“, stellte der Vertreter des Handwerks klar.
In der anschließenden Frage- und Antwortrunde bedankten sich die Ausschussmitglieder bei den Sachverständigen für ihre Einschätzung des neuen Gesetzentwurfs und richteten weiterführende fachliche Fragen an die Expertenrunde. Am Donnerstag, 26. Januar 2023, wird der Ausschuss für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in einer nicht öffentlichen Sitzung weiter über den Gesetzentwurf zum Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz beraten.